Stellen Sie sich vor: Ihr Wissen, Ihre Gedanken, Ihre Meinungen und Ansichten, Ihre Träume und Vorstellungen, ja sogar Ihre Gefühle – also alles, was Sie sind und was Sie ausmacht, wäre auf einer Disc gespeichert, die kaum größer ist als die Speicherkarte einer Digitalkamera. Ein Stick für das Backup Ihres Selbst. Sie könnten den Körper wechseln, wann und wie Sie es wollten. Nie wieder Krankheiten. Nie wieder gebrochene Knochen. Nie wieder Angst vor dem Tod. Sie wären unsterblich. Geht nicht, sagen Sie? Doch, sage ich. Die Serie „Altered Carbon“ (Netflix, 2018), basierend auf dem gleichnamigen Roman von Richard Morgan, stellt „das Unsterblichkeitsprogramm“ in der dystopischen Welt des 24. Jahrhunderts vor und outet sich dabei als ein Hybrid aus Blade Runner und Ghost in the Shell. Im Mittelpunkt stehen dabei die sogenannten „Meths“ (in Anspielung auf Methusalem, den Großvater Noahs, der dem Alten Testament zufolge 969 Jahre alt geworden sein soll). Durch den Kauf von Körpern oder mit Hilfe von Klonen verlängern sie ihr Dasein über Jahrhunderte hinweg. Doch das ewige Leben hat sie skrupellos gemacht, vergnügungssüchtig und abgestumpft gegenüber dem Leben. Den Meths gegenüber stehen all jene Menschen, die sich entweder keine oder nur standardisierte neue „Körper“ leisten können. Manche müssen mit dem Vorlieb nehmen, was sie bekommen. Andere lehnen einen neuen Leib aus religiösen Gründen ab und verbringen die Ewigkeit gefangen in immer wiederkehrenden Träumen oder in einer holografisch erzeugten Welt. „Altered Carbon“ ist Science-Fiction. Krimi. Und ein Stück weit Philosophie. Was ist der Mensch? Was ist Seele? Was ist Körper? Und was davon ist wichtiger? Sind wir tatsächlich die Schöpfer einer unendlichen Existenz oder durch die Unsterblichkeitssticks am Ende selbst zu Geschöpfen in endlichen und künstlichen Hüllen geworden?
Um diese und andere Fragen ging es in der Veranstaltung „Vom Mythos zur Zukunft“. Die Anglisten Dr. Stefan Lampadius und Minwen Huang stellten aber nicht nur mythische, literarische und cineastische Aspekte des künstlichen Menschen vor, sondern wagten den vergleichenden Bogenschlag zwischen West und Ost. Denn der künstliche Mensch ist gewissermaßen das narrative Bindeglied zwischen Mythos und Science-Fiction. Während Mythen in die vormoderne Vergangenheit verweisen und als Mittel der Stabilität gebraucht werden, ruft die in die Zukunft schauende bzw. in der Zukunft angesiedelte Science-Fiction nach Veränderung. Sie transformiert Mythen, setzt sie in neue Kontexte und ist dabei sogar in der Lage, neue Mythen zu erschaffen. Beiden ist gemeinsam, dass sie sich auf die Menschheit an sich beziehen, dass sie die Schöpfung erklären oder selbst schöpferisch aktiv werden. Aber auch Themen wie Monster, Helden, Utopien, die in „Altered Carbon“ realisierte Untersterblichkeit oder aber der künstliche Mensch finden sich sowohl in mythischen als auch in Texten der Science-Fiction-Literatur wieder. Doch was ist der künstliche Mensch überhaupt? Wer sind die Erschaffer? Und: Was treibt diese an, Wesen zu erzeugen, die wie wir sind – manche biologisch, manche mechanisch erschaffen – und doch nicht wir? Antworten darauf finden wir u. a. bei den alten Griechen …
Prometheus, Pygmalion und Golem
Der Mythos um den griechischen Titanen Prometheus gehört zu den ältesten und bekanntesten Erzählungen überhaupt. Als Trickster, der sich aufs listige Betrügen versteht und darüber hinaus auch gegen die göttliche Ordnung rebelliert, täuscht Prometheus die Götter, allen voran Zeus, ein ums andere Mal. So stiehlt er das Feuer, um es den Menschen zu bringen. Zur Strafe dafür wird er vom Göttervater an den Kaukasus geschmiedet, wo ein Adler ihm tagtäglich die Leber herausreißt. Erst Herakles gelingt es, der Qual ein Ende zu bereiten. Prometheus gilt aber nicht nur als Feuerdieb und damit als Kulturbringer und menschlicher Lehrmeister. Ihm wird außerdem nachgesagt, Menschen zu formen „nach seinem Bilde“ (Prometheus, Johann Wolfgang Goethe). Dem Mythos zufolge erschafft er den Menschen aus Lehm. Doch ein perfektes Werk gelingt ihm nicht, denn sein Bruder Epimetheus, der an der Schöpfung beteiligt gewesen ist, lässt sich fatalerweise mit Pandora ein, dem „schönen Übel“ (griech. καλὸν κακόν), wie der Dichter Hesiod sie nennt. In der Büchse, die sie bei sich trägt, liegen sowohl die Hoffnung als auch alle Plagen der Welt. Nach dem Öffnen der Büchse wird die Schöpfung des Prometheus davon heimgesucht. Interessanterweise ist die Übeltäterin selbst eine Schöpfung, nämlich die des Schmieds und Feuergotts Hephaistos, und natürlich hat bei der ganzen Aktion wieder einmal niemand anderes als Zeus die Finger im Spiel: Die künstliche Schöpfung wird mit Hilfe der künstlichen Schöpfung bestraft.
Ein anderer Schöpfertypus ist Pygmalion, dessen Taten der römische Dichter Ovid im 10. Buch seiner Metamorphosen am ausführlichsten beschreibt. Demnach ist Pygmalion ein Bildhauer aus Zypern, der das Abbild einer Frau aus Elfenbein erschafft, in das er sich verliebt. Daraufhin bittet er die Liebesgöttin Aphrodite (Venus), ihm eine Frau zuzuführen, die so ist wie eben diese Figur. Die Göttin der Liebe erhört ihn und erweckt sein Werk (seit dem 18. Jahrhundert als Galatea bekannt) zum Leben. Bei dieser Art Schöpfung und Erweckung eines künstlichen Wesens gehen vor allem emotionale und sexualisierte Aspekte Hand in Hand. Hervorzuheben ist dabei, dass die Schöpfung eher unabsichtlich geschieht – Pygmalion hat mit Frauen schlechte Erfahrungen gemacht, und sein Werk bleibt ein Ausdruck von Trieben, Träumen, Sehnsüchten und verborgenen Hoffnungen.
Beim Golem (hebräisch „formlose Masse „, synoym gebraucht für einen ungebildeten oder grobschlächtigen Menschen), einer Figur aus der jüdischen Mystik, unterliegt die Schöpfung ganz dem Willen des Schöpfers. Wie Pandora bzw. die Menschen des Prometheus ist auch der Golem aus Lehm gefertigt, allerdings eher menschenähnlich als Mensch. Er ist eine ungeheuerliche Kreatur, ausgestattet mit großer Kraft, aber stumm. Nur sein weiser und gelehrter Schöpfer kann den Golem durch Wortmagie zum Leben erwecken und ihm damit auch Befehle erteilen. Obwohl seit dem frühen Mittelalter bekannt, stehen die Legenden über den Golem ganz unter dem Einfluss spätmittelalterlicher Studien und alchemistischer Theorien zum Homunculus, eines künstlich erzeugtes Menschleins, das für magische Zwecke erschaffen wird. Allerdings handelt es sich beim Golem keineswegs um ein Diminutiv. Eine der bekanntesten Geschichten, die im 19. Jahrhundert erstmals gedruckt wurde, handelt von der Schöpfung des Prager Golems, zurückzuführen auf den frühneuzeitlichen Rabbiner Judah Löw (1525-1609). Um den Juden von Prag beizustehen und sie von Vorwürfen wie u. a. dem Ritualmord an Kindern freizusprechen, scharrt Rabbi Löw seine Schüler um sich; aus Lehm und mit Hilfe der vier Elemente sowie den Worten der Schöpfungsgeschichte des Alten Testamants erschaffen sie den Golem. Legt man diesem einen Zettel mit dem Namen Gottes unter die Zunge, erwacht er zum Leben. Trägt er zusätzlich ein Amulett aus Hirschhaut, kann er nicht gesehen werden. Der Golem fegt die Synagoge und dient dem Zweck, herauszufinden, wer den Juden die Mordvorwürfe anhängen will. Eine andere Version des Mythos besagt, der Golem habe keinen Zettel unter der Zunge, sondern ein Siegel auf der Stirn getragen, das aus dem hebräischen Wort Wahrheit (transkribiert: EMETh) bestand. Entfernt man den ersten Buchstaben bleibt „METh“(transkribiert) übrig, was „Tod“ bedeutet. Auf diese Weise lässt sich der künstliche Mensch je nach Bedarf abwechselnd aktivieren und deaktivieren, wie man es von den Robotern der Postmoderne kennt.
Schöpfung und Science-Fiction
Die Mythen um den künstlichen Menschen haben nicht nur die Fantasien von Naturwissenschaftlern, Philosophen, Technikern und Psychologen beflügelt, sondern lieferten und liefern Schriftstellern und Regisseuren bis heute Impulse für ihre Arbeiten. Eines der bedeutendsten literarischen Werke erschien 1818 und stammt aus der der Feder der britischen Autorin Mary Shelley: Sein vollständiger Titel lautet „Frankenstein oder Der moderne Prometheus“. Anlässlich des „Frankenstein-Jahres“ 2018 haben wir im Blog mehrfach über den Roman und seine Wirkung, die Korrelation von Schöpfer und Schöpfung sowie die Interpretation des Themas im Theater berichtet. Victor Frankenstein, Sohn einer angesehenen Genfer Familie, Student der Naturwissenschaften, sucht in einem wahren Schöpfungsrausch die Überwindung des Todes, indem er einem künstlichen Menschen – den Vorläufer einer neuen Rasse – das Leben schenkt. Doch schon nach der Geburt seines Adams verpuffen Eifer und Forschergier. Ohne Verantwortung für die Kreatur zu übernehmen, flieht Frankenstein und überlässt sein Monster, sein Geschöpf, sein Kind dem Schicksal. Die Konsequenz davon ist eine Odysse aus Rache und Schuld, Verrat und Sühne, Leben und Tod. Schöpfer und Geschöpf halten einander abwechselnd den Spiegel vor und selbst der Leser ist hin und her gerissen, wem er Mitleid oder Ablehnung entgegenbringt. Der Roman kann daher auch als eine Warnung gelesen werden, was es bedeutet „Gott“ zu spielen und den Zyklus biologischen Lebens zu erweitern bzw. zu überwinden.
Auch die Insel des Dr. Moreau von H. G. Wells (1896) folgt dieser Thematik der Science-Fiction, wobei es in diesem Fall die Tiermenschen sind, die im „Haus der Schmerzen“ das Licht der Welt erblicken. Noch fundamentaler hat Aldous Huxley Schöpfer und künstlichen Menschen in seine Schöne Neue Welt (Brave New World, 1932) eingeschrieben. In einer fiktiven Version des 26. Jahrhunderts werden alle Menschen mittels genetischer Manipulation erzeugt und in vorgeschriebene gesellschaftliche Kasten eingruppiert. Nicht nur die Welt ist geregelt. Auch die Menschen sind es. Über diesem System steht der Controller Mustapha Mond, eine Art dystophischer Prometheus, für den Schöpfung in Einklang steht mit Stabilität. Ob die Schöpfer aus Ridley Scotts Film „Prometheus“ (2012), der die Vorgeschichte der Alien-Reihe erzählt, eine Art biologische Ordnung im Sinn hatten oder ihren Geschöpfen, in diesem Fall den Menschen, eher zufällig Leben einhauchten, wird abschließend leider nicht geklärt. Dass sie ihnen nicht sonderlich wohlgesonnen gegenüberstehen und den offensichtlichen „Fehler“ durch Auslöschung zu korrigieren suchen, wird im Laufe der Handlung relativ schnell klar. Gegen diesen elementaren Kampf um Leben und Schöpfung wirkt der Film „Ex Machina“ (2015) fast schon bieder und wie ein psychologisches Kammerspiel. Eine High-Tech Firma erschafft eine künstliche Intelligenz, die sich Ava nennt und dementsprechend die Gestalt einer Frau besitzt. Sie soll einem Test unterzogen werden, um festzustellen, ob sie einem Menschen ähnelt oder nicht. Was der Programmierer, der die Aufgabe übernimmt, zunächst nicht ahnt, ist, dass er selbst Teil dieses Tests ist. Ein versöhnliches Ende, wie es Pygmalion und seiner Galatea dem Mythos nach beschieden ist, offeriert der Film allerdings nicht. Und auch in der Sci-Fi Serie „Westworld“ (2016/18), basierend auf der Idee von Michael Crichton, der 1974 beim gleichnamigen Originalfilm sogar Regie führt, ist nach zwei Staffeln noch nicht absehbar, ob es die künstlich erschaffenen Hosts oder ihre biologischen Ebenbilder sind, die den Kampf um die Schöpfung für sich entscheiden. Gemeinsam ist all diesen literarischen und cineastischen Werken, dass sie einerseits mit moralischen und philosphischen Fragen aufwarten, andererseits aber auch vor dem künstlichen Menschen und seinen Gefahren warnen. Angst ist es, die das fremde und doch bekannte Ebenbild erzeugt, und in manchen Roman- und Filmmomenten verdichtet sich ganz bewusst der Eindruck, dass das Nachempfinden von Ausgeliefertheit und Ohnmacht gegenüber einer ungewissen Bedrohung dazu gebraucht wird, um das eigene Selbst und weniger die Schöpfung an sich in den Mittelpunkt zu stellen.
Nüwa, Liezi und Pan Duna
An dieser Stelle sei ein Blick in den Osten geworfen. Im Gegensatz zur Vorstellung der monotheistischen Religionen (Christentum, Judentum, Islam), die in Gott den Schöpfer der Welt und des Menschen sehen, sind es in der chinesischen Kultur die Urkaiser, die dem Mythos nach Ordnung in das Chaos brachten. Wie Prometheus formte die Urkaiserin Nüwa (auch: Nü Wa oder Nü Gua) den Menschen aus Lehm nach ihrem Bilde. Zusammen mit Fu Xi, ihrem Ehemann (manchmal auch ihrem Bruder) gilt sie darüber hinaus als Erfinderin der Musik sowie als Vorbild der Ehe.
Die Erschaffung eines künstlichen Menschen beschreibt schon der chinesische Philosoph und Daoist Liezi (Meister Li), der im 5. Jh. v. Chr. lebte. Sein Werk Das wahre Buch vom quellenden Urgrund (Übersetzer: Richard Wilhelm) soll, neueren Forschungen zufolge, allerdings ein Jahrhundert nach Liezis Wirken entstanden sein. Im 5. Buch der aus Geschichten und Parabeln bestehenden Sammlung ist die 14. Geschichte mit „Der Automat“ überschrieben. Diese lautet wie folgt:
„Der König Mu vom Hause Dschou machte einst einen Jagdausflug nach Westen und kam über das Kunlungebirge, doch hatte er noch nicht den Yän-Berg (wo die Sonne untergeht) erreicht, als er wieder umkehrte. Noch ehe er im Reiche der Mitte angekommen war, wurde ihm unterwegs ein Mechaniker dargebracht mit Namen Ning Schï . Der König Mu ließ ihn vor sich kommen, fragte ihn und sprach: ‚Was hast du für Fertigkeiten?‘ Ning Schï sprach: ‚Ich werde versuchen, alles zu tun, was mir befohlen wird. Doch habe ich schon ein Werk fertig, das du, o König, erst besehen wolltest.‘ Der König Mu sprach: ‚Komm morgen damit, so will ich es mit dir besehen.‘ Am anderen Tag meldete sich Ning Schï beim König. Der König ließ ihn vor sich kommen und sprach: ‚Was ist das für ein Mensch, der da mit dir kommt?‘ Er erwiderte: ‚Den habe ich gemacht, er kann singen.‘ Der König sah mit Erstaunen, wie er mit Hofschritten gehen, sich verneigen und aufrichten konnte wie ein richtiger Mensch. Der Mechaniker faßte ihn am Kinn, da sang er richtig im Tone. Er schüttelte ihm die Hand, da schlug er auch den Takt dazu. Tausenderlei verschiedene Kunststücke konnte er machen, wie man es haben wollte. Der König hielt ihn für einen wirklichen Menschen. Alle seine Weiber und Sklavinnen sahen mit ihm zu. Als nun die Kunststücke zu Ende waren, da blinzelte der Sänger den Sklavinnen in der Umgebung des Königs zu. Da ward der König sehr zornig und wollte den Ning Schï auf der Stelle töten lassen. Ning Schï erschrak sehr und schnitt den Sänger eilends auseinander, um dem König zu zeigen, daß er ganz zusammengesetzt sei aus Leder, Holz, Leim, Lack, aus weißen, schwarzen, roten und blauen Teilen. Der König untersuchte ihn, da sah er, daß im Innern Leber, Galle, Herz, Glieder, Gelenke, Haare, Zähne alles künstlich gemacht war mit vollendeter Geschicklichkeit. Zusammengesetzt sah er wieder aus wie vorher. Er nahm zur Probe das Herz heraus, da konnte der Mund nicht mehr reden; er nahm die Leber heraus, da konnten die Augen nicht mehr sehen; er nahm die Nieren heraus, da konnten die Füße nicht mehr gehen. Da erst begann der König Mu sich zu freuen und sprach aufatmend: ‚Wie? Kann denn die Kunst der Menschen die Werke des Schöpfers erreichen?‘ Er berief den zweiten Wagen, lud ihn (den Automaten) auf und nahm ihn mit sich heim.“
Die Geschichte weist Ähnlichkeiten mit der Erzählung Der Sandmann von E. T. A. Hoffmann (1816) auf. Doch anders als bei Hoffmann’s künstlicher Holzpuppe Olimpia erweckt der namenlose künstliche Sänger in der Erzählung von Liezi weder Verliebtheit noch Angst. Vielmehr sind es Neugier und Staunen, die der König empfindet. Vor allem angesichts der inneren Zusammensetzung der Maschine, die sie – ganz im Sinne der chinesischen Naturphilosophie – als ein organisches Ganzes ausweist. Doch wie in der Golem-Legende bleibt auch der Liezi-Automat unvollständig. Er ist abhängig von den Befehlen seines Schöpfers oder Meisters und kann bei Bedarf ausgeschalten (in diesem Fall zerlegt) werden, damit er keinen Schaden anrichtet.
Die in Europa unbekannte Geschichte von Pan Duna der taiwanesischen Autorin Chang Show-foong wiederum spielt im New York der Zukunft und steht ganz in der Tradition der chinesischen Science-Fiction Literatur des 20. Jahrhunderts. Diese, beeinflusst von westlichen literarischen Strömungen, diente vor allem der Modernisierung Chinas und wurde genutzt, um Kritik an den alten bzw. als veraltet betrachteten chinesischen Traditionen zu üben. Pan Duna lässt sich dabei zusammenfassen als eine wissenschaftliche Tragödie über die Schaffung einer künstlichen Frau. Ähnlichkeiten mit Frankenstein oder auch Auguste de Villiers L’Ève future (dt. „Edisons Weib der Zukunft“, 1886) sind auffällig und mit hoher Wahrscheinlichkeit beabsichtigt. Im Gegensatz zu Viktor Frankenstein ist der Schöpfer allerdings weder verantwortungslos noch grausam. Vielmehr ist der Angst die Hoffnung gegenübergestellt, die das künstliche Wesen nicht als Bedrohung auffasst, sondern als Ebenbild, das Respekt statt Ablehnung erfährt.
In der eingangs genannten Serie „Altered Carbon“ leben Meths, biologische Menschen, Klone, Menschen in bionischen Körpern, Menschen mit bionisch ersetzen Körperteilen, KI’s (Künstliche Intelligenzen), Androiden etc. nebeneinander. Nicht immer friedlich und nicht immer gleichwertig. Es bleibt die Angst. Es glimmt die Hoffnung. Der künstliche Mensch bleibt letztendlich Mythos und Science-Fiction, Schöpfung und Geschöpf, aber auch Grenzüberschreitung und Projektionsfläche zugleich.
Ein Beitrag von Dr. Constance Timm
Literaturhinweis:
Liezi. Das wahre Buch vom quellenden Urgrund. Übersetzt von Richard Wilhelm. Berlin 2017.
© Arbeitskreis für Vergleichende Mythologie e. V.