Vampire aller Orten: Anmerkungen zu einem Dauerphänomen – Teil 2: Von der obskuren Existenz zum Aristokraten

Der erste Auftritt eines Vampirs auf der literarischen Bühne ist vermutlich wenig zur Kenntnis genommen worden. Wahrscheinlich war die Zeit noch nicht reif dafür, und das Werk, in dem er figurierte, war auch nicht spektakulär: Ein 24-zeiliges Gedicht mit dem Titel Der Vampir aus der Feder des seit langem vergessenen Heinrich August Ossenfelder, das am 25. Mai 1748 in einem Journal namens Der Naturforscher gedruckt wurde. Verlagsort: Leipzig, „das Herz der deutschen Vampir-Debatte des 18. Jahrhunderts“ (Groom, S. 99).

In der Tat hatte auch Der Naturforscher über einschlägige Fälle berichtet, etwa über den eines gewissen Arnod Paole (verschiedene Schreibungen waren im Umlauf) aus Serbien, der mit einer gewissen zeitlichen Verzögerung europaweite Bekanntschaft erlangt und natürlich auch in Michael Ranfts 1734 in Leipzig erschienenen „Tractat von dem Kauen und Schmatzen der Todten in den Gräbern…“ (siehe Teil 1 dieses Beitrags) Eingang gefunden hatte. Paole hatte zu den Heiducken gehört – eine Mischung aus Banditen und Guerilleros, die vorzugsweise gegen die türkischen Besatzer kämpften – und war 1727 wieder in seinem Heimatort erschienen und dort gestorben, bevor er seine Verlobte heiraten konnte. Wie berichtet wurde, war er von einem serbisch-türkischen Vampir infiziert worden – obwohl er Erde aus dessen Grab gegessen und sich mit seinem Blut eingerieben hatte, was durchaus als Schutz vor Vampiren empfohlen wurde, neben natürlich Knoblauch und Insignien der christlichen Religion wie Kruzifixe, Hostien oder Weihwasser. In seinem Falle aber wie in anderen hatten Blut und Erde nichts geholfen … Er wurde selber ein Vampir, kam nächtens aus dem Grabe, drang durch verschlossene Türen und Fenster in Häuser ein, erwürgte vier Menschen und saugte sie aus, er infizierte sogar das Vieh, dessen Fleisch dann seinerseits, wenn man davon aß, ansteckend wirkte. Als man ihn nach 40 Tagen ausgrub, war er unverwest, Blut floss aus allen Öffnungen, er schrie und blutete noch mehr, als man ihm den obligaten Pfahl durchs Herz bohrte. Dann verbrannte man ihn. Mit seinen Opfern – die ebenfalls zu Vampiren geworden waren – verfuhr man ebenso.

Ossenfelder, der sein Gedicht ja vor dem Hintergrund solcher Berichte verfasste, war offenkundig nicht daran gelegen, etwas zu den zeitgenössischen Debatten über Wahrheitsgehalt und eine wie auch immer geartete Deutung des Phänomens Vampirismus beizutragen. Sein „Vampir“ ist ein bislang erfolgloser Liebhaber, der in der Nacht seinem an die Realität der Vampire glaubenden spröden Liebchen als ein solcher erscheinen, ihr das Blut aus den Wangen saugen und sie vampirisch küssen will – eine makaber-frivole Phantasie irgendwo zwischen Blutdurst und Entjungferung. Das Moment der sexuellen Bedrohung oder auch Verführung, angst- und zugleich lustbetont, sollte freilich bleiben. Es ging mit der Kunstfigur des Vampirs eine stabile Verbindung ein.

Ein Klassiker als Gruseldichter

Weit wirkungsvoller war dann der literarische Auftritt, der sich – merkwürdig genug – mitten in der deutschen Klassik ereignete. Ausgerechnet Johann Wolfgang von Goethe, der in späteren Jahren Vampire und alles damit Verbundene abscheulich fand, schrieb 1797 mit der Ballade Die Braut von Korinth sein – wie er es selbst nannte – „vampyrisches Gedicht“. Szenerie und Personen sind antik.

Ein Jüngling besucht Gastfreunde seiner Eltern in Korinth, deren Tochter er heiraten soll. Diese erscheint nachts in seinem Zimmer und beklagt ihr Los: Die Familie ist zum Christentum übergetreten und die Mutter hat nach überstandener Krankheit ihre Tochter einem frommen Leben mit ewiger Keuschheit geweiht. Die beiden jungen Leute lieben sich, und als die Mutter sie überrascht, erweist sich die Tochter als Vampir – sie ist bereits gestorben, hat dem Jüngling das Herzblut ausgesogen und zieht ihn nach sich ins Grab.

Dem Gedicht liegen antike Motive zugrunde, die Goethe bei Phlegon von Tralleis (gest. nach 137 n. Chr.) und bei Philostratos (ca. 165 – ca. 240 n. Chr.) fand. Phlegon erzählt eine ähnliche Geschichte, nur ereignet diese sich in Tralleis (Kleinasien), die Religionsfrage spielt keine Rolle, und die verstorbene junge Frau ist kein Vampir. Philostratos berichtet in seiner Biographie des Wundertäters Apollonios von Tyana, wie dieser in Korinth einen seiner Schüler aus den Fängen einer Lamia befreit, einer Dämonin, die ihn als schöne junge Frau umgarnt hatte und verschwindet, als der Meister sie enttarnt.

Neu bei Goethe war das Vampir-Motiv, das dieser schon 1775 als junger Mann in der deutschen Übersetzung eines Reiseberichtes des italienischen Naturforschers und Geographen Alberto Fortis über Dalmatien kennengelernt haben konnte („Über die Sitten der Morlacken“). Es lag offenbar in der Luft. Die Braut von Korinth wurde in mehrere Sprachen übersetzt. Besonders auf die englische Romantik und speziell den gothic romanticism übte sie eine nachhaltige Wirkung aus, zusammen mit Gottfried August Bürgers Ballade Lenore von 1773 oder 1774, in der der tote Bräutigam seine Braut ins Grab nachholt. Die romantischen Strömungen in Europa und den USA sollten aus dem Themenbereich später viel künstlerisches Kapital schlagen.

Durchbruch in England

England war es, wo der literarische Durchbruch des Vampirs erfolgte, nachdem u. a. Robert Southey in seiner orientalisierenden Verserzählung Thalaba the Destroyer, 1801, und George Gordon Lord Byron in seinem ebenfalls im Orient angesiedelten Versepos The Giaour, 1813 (Der Ungläubige) das Thema hatten anklingen lassen. Bei Southey geht es um eine verstorbene Braut, die zum Vampir wird, bei Byron verflucht ein Türke den aus seiner Sicht Ungläubigen, nach dessen Tod als Vampir zu wandeln.

Endgültig gesetzt wurde das Vampir-Thema aber mit der Erzählung The Vampyre, die am 1. April 1819 in der Zeitschrift New Monthly Magazin gedruckt und vom Herausgeber als eine Erzählung Lord Byrons bezeichnet wurde. Nur dass sie gar nicht von diesem war, sondern von John William Polidori, den Byron als Leibarzt engagiert hatte, als er 1816 in der von ihm gemieteten Villa Diodati in Cologny am Genfer See in der Schweiz Urlaub machte.

Byron, jung, berühmt durch Gedichte und Versepen und skandalumwittert durch mehrere Affären, darunter eine mit seiner Halbschwester, hatte sich dort mit einem Landsmann angefreundet, dem jungen Dichter Percy Bysshe Shelley, der in Byrons Nachbarschaft mit seiner Geliebten Mary Godwin und deren Stiefschwester Claire Clairmont wohnte, die von Byron schwanger war. Es regnete fast ständig – 1816 fiel der Sommer aus, weil beim Ausbruch des indonesischen Vulkans Tambora im Vorjahr Unmengen von Staub und Asche in die Atmosphäre geschleudert worden waren. Die fünf vertrieben sich die Langeweile mit der Lektüre von Gespenstergeschichten; schließlich schlug Byron vor, jeder von ihnen sollte selbst eine verfassen. Eine Idee mit Folgen. Mary Godwin – die spätere Mary Shelley – erfand Frankenstein, und Polidori erfand Lord Ruthven, den Vampir.

Beide, Frankenstein bzw. das von ihm erschaffene Monster, und der Vampir, haben seitdem nicht aufgehört, die Imagination zu beschäftigen – und Mary Shelleys Roman weist durchaus auch vampirische Anklänge auf. Das Monster wird aus Leichenteilen geschaffen, in seinen Adern fließt Tierblut, und Blut als Metapher und Realität spielt eine große Rolle.

Eine Verwechslung mit Folgen

Byron, der auf seiner Reise durch den Mittelmeerraum den dort ebenfalls verbreiteten Vampirglauben auch aus erster Hand kannte, hatte ebenfalls eine Vampirgeschichte begonnen, dann aber aufgegeben. Polidori aber hatte die seine, die sich lose an Byrons Versuch anlehnte, zu Ende geführt. Persönlich hatte er kein Glück damit, wie er auch in seinem übrigen kurzen Leben glücklos war: Byron kündigte ihm seine Stellung, das Manuskript blieb in der Schweiz, gelangte über Umwege nach England und erschien dort als ein Werk Byrons – und war unter dieser Flagge eine Sensation. Es wurde schnell in mehrere Sprachen übersetzt, Goethe, der Byron als Dichter hoch schätzte, nannte es einmal „Byrons bestes Product“ (was man vielleicht nicht auf die Goldwaage legen sollte, denn wenn er sich anderweitig und ausführlich über Byron äußerte, ging es stets um dessen Epen und Dramen, nie aber um den Vampir). Natürlich bestand Polidori nach der Veröffentlichung auf seiner Autorschaft, drang damit aber nur langsam durch (so behauptete der Reclam-Opernführer von 1928 in seinem Eintrag zu Marschners Oper „Der Vampyr“ noch immer, die Geschichte sei von Byron).

Aber Polidori gebührt der Ruhm, einen Typus geschaffen zu haben. Sein Vampir hat nichts mehr mit den unappetitlichen, sich teilweise selber anfressenden, bluttriefenden Wiedergängern der Folklore zu tun: Ruthven ist ein Aristokrat durch und durch, der seltsamerweise durch seine Undurchdringlichkeit, seinen erstorbenen Blick, seine Kühle fasziniert – und vorzugsweise Frauen verderblich wird, erotisch und blutsaugerisch, und der bei all seinen Untaten stets entkommt. Freilich fehlen auch unheimlich-übersinnliche nächtliche Szenen, Friedhöfe und Gräber nicht, und der (scheinbar) getötete Vampir wird durch das Mondlicht wiederbelebt, aber das Grausen ist eher hintergründig.

Rasch fanden sich Bearbeiter und “Nachnutzer“ dieses Themas und der Figur, vor allem in England und Frankreich. Populäre französische Autoren wie Charles Nodier und Eugéne Scribe variierten es melodramatisch (Nodier mit Lord Ruthwen, 1820) oder komödienhaft-ironisierend (Scribe mit Le Vampire, 1821); der seinerzeit viel gespielte deutsche Komponist Heinrich August Marschner (siehe oben) schrieb auf ein Libretto seines Schwagers Wilhelm August Wohlbrück die große romantische Oper Der Vampyr, die am 19. März 1828 in Leipzig uraufgeführt wurde. Überflüssig zu sagen, dass in wohl den meisten Variationen aufs Thema der dämonische Lord Ruthven zum Schluss doch noch besiegt wurde… Und neben Dramatik und Romantik, neben nie auszuschöpfendem Rühr- und Gruselpotenzial, bot das Vampir-Thema eine schier nicht enden wollende Gelegenheit für bühnenwirksame Schwänke und Possen, vor allem im angelsächsischen Bereich. Aber auch politische Satire bot sich an: Schon 1819 erschien The Black Vampire. A Legend of Saint Domingo des amerikanischen Autors Robert C. Sands, das die Institution der Sklaverei attackiert.

Verführerinnen und Vamps

Das Bemerkenswerteste an den Vampiren des 19. Jahrhunderts ist allerdings, dass die meisten von ihnen weiblich waren, angefangen von Thalabas verstorbener Braut bei Robert Southey und Goethes Braut von Korinth. (Nebenbei bemerkt, erinnert daran der Begriff Vamp für eine Frau, die ihre erotischen Reize skrupellos zur Verfolgung ihrer Ziele einsetzt.) Schon 1822 veröffentlichte Ernst Benjamin Salomo Raupach, vor allem als Dramatiker zu Lebzeiten so erfolgreich wie heute vergessen, die im mittelalterlichen Burgund angesiedelte Erzählung Lasst die Toten ruhn!, in der ein verwitweter, wieder verheirateter Herr seine erste Frau durch Magie wiederbeleben lässt, um ihr rettungslos zu verfallen – und sie ernährt sich vampirisch von Kinderblut und seinem eigenen, bis sie sich in einem wildromantischen Showdown in eine Schlange verwandelt, ihn erdrückt und alles in einer Feuersbrunst enden lässt.

Eine Reihe dämonisch-verführerischer Damen haben zumindest vampirhafte Züge, wie Lady Geraldine in der Verserzählung Christabel des englischen Romantikers Samuel Coleridge (1816) oder in der Lamia seines jüngeren Landsmannes John Keats (1820). Die vielleicht psychologisch interessanteste Vampirgeschichte des 19. Jahrhunderts stammt von Théophile Gautier: La morte amoureuse (Die verliebte Tote) von 1837. Ein katholischer Priester berichtet in der Ich-Form – man könnte sagen: beichtet – von seiner Verfallenheit an eine unglaublich attraktive Frau, die er anlässlich seiner Priesterweihe kennenlernt und zunächst hoffnungslos begehrt. Dann wird er an ihr Totenbett gerufen. Er küsst sie ins Leben zurück und erlebt einen wahren Rausch mit ihr. Ein Doppelleben als bescheidener Landpfarrer und als mondäner Lebemann. Sie saugt sein Blut … Ein Amtsbruder klärt ihn über ihr Wesen – das ihm selbst nicht wirklich verborgen war – auf. Schließlich öffnet dieser das Grab, in dem sie tagsüber liegt, und macht sie unschädlich. Freilich klingt im Bericht des Priesters Bedauern mit, damals sein Gelübde abgelegt und damit den Sinnesfreuden abgeschworen zu haben. Fürwahr ein Doppelleben, von dem der Leser auch argwöhnen kann, dass die lustbetonte nächtliche Seite vielleicht nur Phantasie und Wahngebilde eines alten Mannes ist …

Charles Baudelaire, der Gautier bewunderte, macht in zwei Gedichten seiner Fleurs du Mal (Die Blumen des Bösen, 1857) – Le Vampire und Les Métamorphoses du vampire – einen das lyrische Ich narrenden und quälenden weiblichen Vampir zum Gegenstand. Der angloirische Schriftsteller Sheridan Le Fanu schuf mit seiner Carmilla (1872) einen ganz ersichtlich lesbischen Vampir – die blutsaugende Dame fasziniert die mit ihrem Vater und zwei Gesellschafterinnen in einem einsamen Schloss in der Steiermark lebende Ich-Erzählerin, wobei sie ihr freilich zunehmend unheimlich wird, während sie in der Umgebung des Schlosses Tod und Schrecken verbreitet, bis sie zum Schluss von einem Vampirkundigen, um nicht zu sagen Vampirjäger, unschädlich gemacht wird. Und die Reihe reißt nicht ab: Elisabeth Frenzel hat in ihren „Motiven der Weltliteratur“ unter dem Rubrum „Die dämonische Verführerin“ eine bedeutende Auswahl aufgelistet

Der männliche Vampir kann wahrscheinlich aber doch die größere Popularität für sich beanspruchen. Zumindest für die Unterhaltungsliteratur des 19. Jahrhunderts. Varney the Vampire hieß das wohl erfolgreichste Produkt der englischen Massenliteratur des 19. Jahrhunderts. Der Verfasser ist James Rhymer oder Thomas Prest. Ab 1845 erschien es in 109 wöchentlichen Fortsetzungen als Penny Dreadful (eine Art Groschenheft), und 1847 in einer dickleibigen Buchausgabe – „die Wiege des Vampirkultes in der populären Literatur, im Fernsehen und Film, die heute vorherrscht“ (Groom, S. 139). Varney ist – als Mensch – ein Doppelagent im englischen Bürgerkrieg des 17. Jahrhunderts und lebt – als Vampir – bis ins 18. Jahrhundert hinein, eine Reihe von Abenteuern erlebend, in denen er nicht immer der Schurke ist, mehrmals getötet und doch nicht tot, um dann am Ende, weil er genug von allem hat, sich selbst in den Vesuv zu stürzen und zu verbrennen. An grellen Effekten, an Blut und Schrecken wird nicht gespart. Auf die Dauer hat ihm allerdings dann ein anderer literarischer Vampir den Rang abgelaufen: Dracula, der 1897 das Licht der Welt erblickte: als Held von Bram Stokers gleichnamigen Roman. Global bekannt geworden ist er dann vor allem durch Film und Fernsehen im 20. Jahrhundert – wahrscheinlich hat jeder mindestens einen Dracula-Film gesehen, das Buch hingegen haben weit weniger gelesen – aber seine Karriere begann er als literarische Gestalt.

Dracula und kein Ende

Bram Stoker hat seinen Roman als modernes Gebilde aus Tagebuch, Brief, phonographischer Aufzeichnung, Telegramm etc. geschrieben. Seinem transsilvanischen Grafen Dracula hat er bekanntlich Züge des rumänischen Grafen Vlad III. Drăculea verliehen, der im 15. Jahrhundert lebte und ob seiner brutalen Vorliebe für das Pfählen den Beinamen Țepeș (Pfähler) führte. Freilich beherrschte Vlad die Wallachei und nicht Transsilvanien (Siebenbürgen), und mit Vampirismus war er nicht in Verbindung gebracht worden. Stoker nun, der Rumänien nie bereist hatte, siedelte seinen Dracula im späten 19. Jahrhundert an, und ließ ihn sich anschicken, England zu erobern: Der Graf segelt mit 50 Kisten heimatlicher Erde nach England. Diese sollen im Lande verteilt werden und als seine Schlupfwinkel dienen, während er eine Art Eroberungsprogramm verfolgt. Eine Gefahr für die Welt, wie der Mediziner, Philosoph und Vampirjäger van Helsing meint, der das kleine Häuflein derjenigen berät und anführt, die direkt oder indirekt Bekanntschaft mit Dracula geschlossen und den Kampf gegen ihn aufgenommen haben. Nur mit äußerster Anstrengung kann der Graf letztlich besiegt werden, dort, wo der Roman auch begonnen hat: in seinem heimatlichen Transsilvanien.

Der imperiale Zug war etwas Neues – die „klassischen“ Vampire hatten keine derartigen Gelüste gehabt. Stoker kannte die Literatur zum Thema Vampirismus gut und ließ seinen van Helsing alle Mittel anwenden, zudem stattete er ihn mit den damals modernsten medizinischen und kriminologischen Kenntnissen und Theorien aus. Den traditionellen Zügen, die einen Vampir ausmachen, fügte er Neues hinzu oder änderte auch ab: Die Bissmale am Halse der Opfer etwa spielen erst seit ihm eine markante Rolle. Sein Dracula ist extrem verwandlungsfähig: Kutscher, Herr der wilden Tiere, Reptil, Fledermaus und weltgewandter, sozusagen anglophiler Aristokrat. Stoff und Gestalt haben sich als ebenso langlebig wie anpassungsfähig erwiesen. Der Reihe der Theaterbearbeitungen und Filme – man denke nur an cinematographische Meisterwerke wie Friedrich Murnaus Nosferatu oder Roman Polanskis und Werner Herzogs Filmische Variationen des Themas, ist lang, und in der Literatur des 20. und 21. Jahrhunderts stehen Autorinnen wie Anne Rice, Angela Sommer-Bodenburg, Stephanie Meyer,  Elizabeth Kostova oder Clay und Susanne Griffith dafür, dass es mit den Vampiren kein Ende hat. Von den visuellen Medien oder den stage acts gewisser Rockmusiker ganz abgesehen. Vampire als Kunst-Wesen einer Welt, die vom Menschen allenfalls ansatzweise zu begreifen und nicht wirklich zu beherrschen ist, ja, die stattdessen ihn bedroht. Ein unerschöpfliches Thema, über das vielleicht ein anderes Mal zu schreiben wäre …

Ein Beitrag von Christoph Sorger

Literaturhinweise:

Barger, Andrew (Hrsg): The Best Vampire Stories 1800 – 1849. Bottletree [keine Ortsangabe] 2011.

Baudelaire, Charles: Les Fleurs du Mal – Die Blumen des Bösen. Übersetzung von Monika Fahrenbach-Wachendorff. Anmerkungen von Horst Hina. Nachwort und Zeittafel von Kurt Kloocke. Stuttgart: Reclam 1980.

Frenzel, Elisabeth: Motive der Weltliteratur. 5. überarbeitete und ergänzte Auflage. Stuttgart: Kröner 1999.

Gautier, Théophile: Romane und Erzählungen. Herausgegen von Dolf Oehler. Wiesbaden: Fourier 2003.

Groom, Nick: The Vampire. A New History. New Haven, London: Yale University Press 2018.

Morlock, Frank J. (Hrsg.): Lord Ruthven the Vampire. Encino: Black Coat Press 2004.

Philostratos: Das Leben des Apollonios von Tyana. Hsg. von Vroni Mumprecht. Berlin: De Gruyter 2014 (Erstveröffentlichung 1983).

Phlegon von Tralleis: Das Buch der Wunder und Zeugnisse seiner Wirkungsgeschichte. Eingeleitet, herausgegen und übersetzt von Kai Brodersen. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgemeinschaft 2001.

Polidori, John William: Der Vampir. Eine Erzählung. Mit einem „Fragment“ von George Gordon Lord Byron. Herausgegeben von Reinhard Kaiser. München: Beck 2014.

Reclams Opernführer. Herausgegeben von Georg Richard Kruse. Leipzig: Reclam 1928.

Sheridan Le Fanu: In a Glass Darkly. Hrsg. von Rober Tracy. Oxford, New York [u.a.]: Oxford University Press 1993.

Stoker, Bram: Dracula. Aus dem Englischen übersetzt von Ulrich Bossier. Nachwort von Elmar Schenkel. Stuttgart: Reclam 2012.

http://www.vampire-world.com/literaturseiten/gedichte/der_vampir.ossenfelder.htm

© Arbeitskreis für Vergleichende Mythologie e. V.

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