Auf unserer mythischen, kulturellen und literarischen Spurensuche zum Trickster, die im Oktober 2018 begonnen hat, ist es an der Zeit einmal die „teuflische“ Seite jenes Wesens zu betrachten, das nicht so recht in die Ordnung der Welt passen will, diese jedoch mehr oder minder erfolgreich – in allen Fällen aber folgenreich – durcheinander zu wirbeln versteht. Was haben nun aber Satan, Beelzebub oder der Herr der Hölle mit dem Trickster zu schaffen? Der christliche Teufel, dieser gefallenen Engel und Widersacher Gottes, besitzt ja ohnehin einen eigenen und vor allem eigentümlichen Werdegang. Mithin scheint er sogar eine richtige Chimäre zu sein, wenn man ihn einmal über die theologische Deutung hinaus betrachtet …
Der Teufel besitzt […] in mehrfacher Sicht seine Existenzberechtigung. Er ist übernatürlich. Er verbreitet Angst. Er wird als real wahrgenommen. Er ist wandelbar, sowohl vom Aussehen her als auch dem Namen nach. Kurzum: Der Teufel flößt uns Unbehagen ein und gleichzeitig fasziniert er uns. Weil er „das Gegenteil von dem darstellt, was man tun sollte, an das man glauben und dem man folgen soll“. Er ist wie ein Riss in der Ordnung. Eine Grenzüberschreitung. Damit weist er auf den ersten Blick die Züge eines Tricksters auf. Einfallsreichtum, Doppelmoral, ein ausgeprägtes Sexualverhalten, Boshaftigkeit, einen Hang zu Tragikomik, Neugierde und Kindlichkeit, all diese Züge schreibt man dem Trickster zu, der mit seiner betrügerischen Art in den meisten Fällen jedoch das Gegenteil von dem erreicht, was er plant und damit zuweilen, gewollt oder ungewollt, in die Rolle eines Kulturheros schlüpft. Der Trickster kann der Schurke sein. Aber auch der Tölpel. Und eben jene Eigenschaft ist es, die sich auch beim Teufel wiederfindet. Dabei gilt es freilich, zwischen dem theologischen Teufel, der Vorstellung vom Antichrist – dem großen Gegner von Jesus in der Zeit des Weltenendes – sowie dem Teufel des Volksglaubens und dem literarischen Teufel zu unterscheiden.
Eine bekannte Teufelsgeschichte, die das Dämonische mit dem Tölpelhaften verbindet, ist das Märchen vom Teufel mit den drei goldenen Haaren, das aus dem Zyklus der Brüder Grimm stammt.
Ein Junge, der von Müllersleuten aufgenommen wurde, und eine Glückshaut besitzt, was bedeutet, dass alles, was er im Leben beginnt, ein gutes Ende findet, erhält vom König, der die Mühle besucht und seine Geschichte hört, einen Brief, den er zur Königin bringen soll. In dem Brief steht allerdings sein Tod besiegelt. Als eine Bande Räuber, bei der der Junge im Wald übernachtet, den Brief liest, beschließen sie, diesen zu vertauschen. Der Junge soll nun, der falschen Anweisung des Königs nach, mit der Königstochter vermählt werden. Als der König dies erfährt, versucht er das „Unglück“ abzuwenden, indem er dem Jungen zwar die Hand der Tochter verspricht, aber nur im Tausch gegen die drei goldenen Haare des Teufels. Als er nach einer beschwerlichen Reise endlich in die Hölle gelangt, erhält der Junge dort unerwartet Hilfe von der Großmutter des Teufels, die diesem seine Haare ausreißt und ihn dabei austrickst, indem sie ihm angeblich wegen „böser Träume“ an den Kopf fasst.
In der DEFA-Märchenverfilmung aus dem Jahr 1977 verkleidet sich der Junge indes selbst als des Teufels Ehefrau und gelangt auf diese Weise an die goldenen Haare. Nach seiner Rückkehr an den Königshof und der geglückten „Mission“ erhält der Junge die Hand der Königstochter und wird zudem mit Schätzen belohnt. Der König, der angesichts der gelösten Aufgabe und der Reichtümer seinen Neid nicht verbergen kann, gerät auf der Suche nach eben diesen selbst in die Hölle. In der DEFA-Verfilmung, abweichend vom Märchen, erscheint der Teufel sogar persönlich am Tag der Hochzeit des Jungen mit der Königstochter und muss drei Aufgaben lösen, um die goldenen Haare wiederzuerhalten. Dabei macht er sich entsprechend lächerlich und gibt im wahrsten Sinne des Wortes den Tölpel. So muss er einen Ochsen verspeisen, ein ganzes Weinfass leeren und mit dem Bräutigam tanzen. Das Prinzip sowohl im Märchenoriginal als auch in der Verfilmung bleibt dasselbe: Der Teufel kommt als nicht sonderlich schlau daher, wird überlistet und am Ende gebiert das Böse Gutes (Reichtum für den Jungen, Heirat), während das Böse, das zunächst nicht charakteristisch für das Böse steht (König) durch den Teufel seine Strafe erhält. Übertrieben gesprochen könnte man gar von einem Moralkreislauf sprechen, der damit vollzogen wird. Was den Teufel betrifft, verliert er in der Geschichte einen Teil seines Schreckens, da sein Agieren lächerlich einfältig wirkt. Soll man ihn auslachen oder ihn bemitleiden? Das möge jeder Zuhörer, Leser oder Zuschauer für sich selbst entscheiden.
Ein Beitrag von Dr. Constance Timm
Literaturhinweis:
© Arbeitskreis für Vergleichende Mythologie e. V.