Magie in Wissenschaft und Technik

Als Goethes Faust im frühen 19. Jahrhundert erkennen wollte, was die Welt im Innersten zusammenhält, und er mit zunehmender Frustration bemerken musste, dass sein normales Denken nicht an das ersehnte Ziel kommen kann, hat er sich der Magie ergeben und auf engen Kontakt mit dem Teufel eingelassen. Magie klang damals und klingt heute stets so, als ob da etwas Verbotenes passiert, weshalb es wahrscheinlich keine gute Idee des amerikanischen Wissenschaftsautor Arthur C. Clarke war, in den 1960er Jahren darauf hinzuweisen, dass jede einigermaßen fortschrittliche Stufe der technischen Entwicklung schon lange nicht mehr von Magie zu unterscheiden ist, wobei Clarke an den Laser, die ersten integrierten Schaltkreise und die fortschrittlichen Medientechnologien dachte.[1] Zum Glück haben die Menschen nicht die Finger von den mit ihrer Magie lockenden Dingen gelassen, wie man es sonst tut, wenn etwas verboten ist.

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Höllische Venus, paradiesische Erde, wandelbarer Mars. Dantes Jenseitsreiche im Spiegel der vergleichenden Planetologie

Das diesjährige, grosse Dante-Jubiläum – 700 Jahre sind seit dem Tod des Dichters vergangen – fällt in eine sehr turbulente, fast möchte man sagen: „danteske“ Zeit. Viele Errungenschaften der europäischen Aufklärung sind derzeit in Frage gestellt oder schon verloren gegangen; von einem „Rückfall ins Mittelalter“ ist gar die Rede. Das könnte man so sehen, wenn man an die Glaubenskämpfe rund um „Gesundheit“, „Sicherheit“ und „Freiheit“ denkt, wo sich die Menschen scheinbar zwischen einem „ewigem Lockdown“ (Hölle) und einem „ewigem Immunschutz“ durch Impfung (Paradies) zu entscheiden haben. Sollten wir uns da nicht eher auf unsere Vernunftphilosophen besinnen, statt auf einen mittelalterlichen Dichter, der Himmel und Hölle besingt? Einverstanden – nur: Dante ist auch ein Vernunftphilosoph, wenn man unter Vernunft, um F. von Weizsäcker zu folgen, die „Wahrnehmung des Ganzen“ versteht. Diese Vernunft, nicht zu verwechseln mit blosser Ratio und Wissenschaftlichkeit, scheint uns gründlich abhanden gekommen zu sein. Wenn es um „das Ganze“ geht, hat uns Dante einiges zu sagen.

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Der Traum vom Raum. Warum sich Milliardäre in den Himmel schießen lassen

Am 11. Mai 2021 gab es ein großes Hallo auf Erden. Der britische Milliardär Richard Branson ließ sich als erste Privatperson mit eigenem Flieger in den Weltraum schießen. Sein Konkurrent, der Chef von Amazon, Jeff Bezos, brauchte noch einige Tage, dann war auch er oben. Beide waren stolz, sich Kindheitsträume erfüllt zu haben, die sie wahrscheinlich aus dem Fernsehen und aus Büchern genährt hatten. Vermutlich war Jules Verne einer dieser Traum-Paten, denn seine Reise zum Mond hatte schon Hermann Oberth und Wernher von Braun angestachelt, Raketen zu bauen. Kindheitstraum ist auch Menschheitstraum, wenn man den Mythen folgt. Man denke etwa an Ikarus oder an Phaeton oder an all die Feuerwagen im Himmel, die sich in der hinduistischen Mythologie oder in der Bibel finden. Es waren Griechen wie Lukian aus Samosata im 2. Jahrhundert, die schon satirische Geschichten über die Bewohner anderer Planeten machten. Seit dem 17. Jahrhundert aber boomt die Literatur, in der Menschen die Erde verlassen – von Kepler und Godwin bis hin zu Defoe und Cyrano de Bergerac. All das sind mehr oder weniger bewusste Vorbilder, die die Träume der Technik nähren.

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Der MYTHO-Blog gratuliert … zum 100. Geburtstag von Marija Gimbutas

Marija Gimbutas (1921 – 1994) war eine bedeutende Archäologin, Prähistorikerin und Anthropologin. Nach ihrem Studium in Kaunas, Vilnius und Tübingen promovierte sie über „Die Bestattung in Litauen in der vorgeschichtlichen Zeit“. Ihr wissenschaftlicher Hintergrund war interdisziplinär und umschloss zahlreiche Fachgebiete, u. a. Linguistik, Ethnologie und Religionsgeschichte. 1950 wurde sie aufgrund ihrer umfangreichen Kenntnisse europäischer Sprachen an die Harvard-University berufen und wirkte dort 13 Jahre als Dozentin für Archäologie. 1963 wurde sie Professorin für Archäologie an der University of California, Los Angeles, und lehrte dort bis zu ihrem Ruhestand 1989.

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Kosmologie und Literatur III: Kosmologie in Zeiten der Postmoderne. Von Douglas Adams zu Stanislaw Lem

Eines Nachts im Jahre 1971 lag ein junger Brite betrunken in einem Feld bei Innsbruck und schaute in die Sterne.  Bei sich trug der als Anhalter Reisende The Hitchhiker’s Guide to Europe. In diesem Moment kam ihm ein Gedanke, der die Welt verändern sollte: Er sagte sich, dass es eigentlich auch einen Hitchhiker’s Guide to the Universe geben müsste. Die Folge dieser beschwipsten Vision ist, dass es Jahrzehnte später eine wachsende Zahl von Menschen gibt, die sich an einem bestimmten Tag des Jahres mit einem Handtuch in der Öffentlichkeit zeigen. Der besagte Tag ist der 25. Mai, der sogenannte „Towel Day“, an dem man auch Schilder mit der Aufschrift „Don’t Panic“ sieht. Auch T-Shirts mit der Aufschrift „21 is only half the truth“  können gesichtet werden. Die Zahl deutet auf eine andere Zahl, die Suchmaschinen auswerfen, wenn man die Phrase „the answer to life, the universe and everything“ eingibt. Es ist die mysteriöse 42, die durch Douglas Adams eine unerhörte Karriere angetreten hat. Wer von all dem nichts weiß, wird an geistige Zerrüttung denken, doch Kenner genießen diese Hinweise auf Gruppengeist und Schwarmintelligenz. Eingeweihte dürften folgende Eigenschaften mitbringen: Humor, den Sinn für Parodie und Paradox und Freude am Spiel. Wahrscheinlich ist er oder sie auch mit einer freundlichen Natur gesegnet, so wie der leider früh verstorbene Douglas Adams.

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Eine Auslotung des modernen Geistes: Linus Hausers „Kritik der neomythischen Vernunft“

Kurz gesagt: Ich will die hohe Bedeutung eines sich szientistischer und technizistischer Metaphern bedienenden neuen religiösen Denkstils für die Moderne aufweisen. […]. Es wird sich herausstellen, dass sich in naturwissenschaftlichen Eliten eine Art doppelter Wirkungsgeschichte von Ideen ereignet. In einem wechselseitigen Inkognito ist der geniale Nobelpreisträger zugleich banalstem religiösem Gedankengut anhängender Neomythologe […].“ (Hauser Bd. 1, S. 23)

In meinen bisherigen Beiträgen habe ich schon öfters auf sogenannte „Neomythen“ bzw. „neomythische“ Denkweisen verwiesen, um gewisse Impulse moderner bzw. gegenwärtiger Erzählungen zu charakterisieren. Diese Begrifflichkeiten und das zugrundeliegende Konzept stammen von dem eben zitierten Gießener Theologen und Philosophen Linus Hauser, der sich mit dem Thema in seinem Großwerk intensiv auseinandergesetzt hat. Ich möchte diesen Beitrag nutzen, um darüber einen knappen Überblick zu geben. Es ist freilich nicht durchführbar, ein dreibändiges Werk mit knapp 2000 Seiten auf vier Standardseiten zu ca. 400 Wörtern erschöpfend vorzustellen, gerade hinsichtlich des mehr als 200 Jahre umfassenden ideengeschichtlichen Horizonts, den Hauser eröffnet und der wesentlich in der Abarbeitung exemplarischer Persönlichkeiten besteht. Ich hoffe dennoch das Wichtigste vermitteln und den einen oder anderen Leser anregen zu können, die Hauptideen zu durchdenken oder die „Kritik der neomythischen Vernunft“ einmal zur Hand zu nehmen.

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Kosmologie und Literatur II: Mythologie im wissenschaftlichen Zeitalter. Von William Blake bis J. R. R. Tolkien

Zeitgleich mit der Entwicklung einer wissenschaftlichen Weltsicht in der Neuzeit entstehen zahllose weltanschauliche Abzweigungen, die sich wiederum mit religiösen Sekten zusammentun oder auf privaten Visionen und Mythologien beruhende Kosmologien in die Welt setzen. Das Werk des schwedischen Geistersehers, Wissenschaftlers und Philosophen Emmanuel Swedenborg gehört sicherlich in diesen Strom ebenso wie das seines zeitweisen Anhängers William Blake (1757-1827). Romantik und Gnosis gehen bei Letzterem eine Einheit ein und bringen ein höchst merkwürdiges Werk hervor, das er bekanntlich nicht nur dichterisch und philosophisch, sondern auch in visueller Form ausgedrückt hat. In dem Maße wie er die Mystiker – vor allem Jakob Böhme – liebte, hasste er Newton und die empirischen, rational fundierten Wissenschaften, denen Francis Bacon das Programm geschrieben hatte. Politisch stand Blake quer zum Zeitgeist, legte sich mit dem Staat an und verteidigte die Französische Revolution. Von Kindheit an hatte er Visionen. Sein Vater tadelte ihn, als er behauptete, den Propheten Ezechiel getroffen zu haben. Einen Baum in Peckham Rye, im Süden Londons, sah er erfüllt von Engeln. Regelmäßig pflegte er sich mit Engeln und Geistern zu unterhalten. So zeichnete er auch den Geist eines Flohs. In seinem Kampf gegen die Unterdrückung von Sexualität erinnert er an Wilhelm Reich, denn Krieg sah er als eine direkte Folge von Verdrängung.

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