Für einen Vergessenen ist er erstaunlich präsent in unserer Gegenwart: Janus (korrekt wäre eigentlich Ianus), der römische Gott mit den zwei Gesichtern, deren eines nach hinten sieht. Der Januar, der erste Monat des Jahres, ist nach ihm benannt – er stand in seinem Zeichen, wie auch der erste Tag eines jeden folgenden Monats. Es denkt bloß kaum noch jemand bei dem Wort „Januar“ an ihn. Auch, dass die Sitte, am Neujahrstag einander Glück zu wünschen, sich bruchlos vom alten Rom herschreibt, ist wohl nur noch wenigen bewusst, ebenso wie die römisch-lateinische Herkunft unserer Monatsnamen. Allenfalls Ausdrücke wie Januskopf bzw. Janusgesicht und die entsprechenden Adjektive sind noch gebräuchlich, um die Zwiespältigkeit einer Sache oder eines Menschen bildhaft auszudrücken.
„Vergessene Götter: Janus, der Gott mit den zwei Gesichtern“ weiterlesenCoraline, oder: Von Türen zu anderen Welten
Samhain, das Fest, an dem sich die Grenzen zwischen unserer Welt und der Anderswelt auflösen. Heute feiert es die Allgemeinheit als Halloween und setzt die Tradition des Verkleidens fort – ein Spaß, der ursprünglich die Lebenden vor den Geistern der anderen Seite verbergen sollte.
Constance Timm und ich haben uns schon einmal in unserem Essay-Band „Über die Grenzen“ dem Thema von parallel existierenden Welten, den Motiven von Übergang, Ober- und Unterwelt gewidmet. Das Coverbild, für welches wir uns damals entschieden haben, zeigt dabei passenderweise eine alte, umwucherte Holztür, die geheimnisvoll von Schatten umspielt wird. Hält man das Buch in Händen, so wirkt es, als ginge man selbst darauf zu, bereit, sie aufzustoßen und zu sehen, was sich dahinter verbirgt. Schlägt man die Seiten auf, so öffnet man im übertragenen Sinn auch die Tür. Wir mochten diese Metapher sehr, die Wahl fiel uns also leicht.
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