Jade (Yu) – Der Stein zur Unsterblichkeit

Ein Totengewand für den Herrscher

Totengewand von Kaiser Lui Sheng (1. Jh. v. Chr.), Hubei Museum, China

Mit einigen letzten Handgriffen sind die Vorbereitungen des königlichen Leichnams auf dessen Reise ins Totenreich abgeschlossen. Die Priester und Zeremonienmeister werden im Anschluss noch einmal kontrollieren, ob auch wirklich jede Stelle des Körpers mit dem Grabgewand aus Jade bedeckt ist. Insgesamt 2498 rechteckige Plättchen aus der kostbaren Jade, verbunden mit feinem Golddraht, bilden das Totenkleid, welches schon zu Lebzeiten des Herrschers passgenau angefertigt worden ist. Zuvor hat man die Körperöffnungen mit kleinen Jadepflöcken verschlossen, damit die Wirkung der Jade auch die inneren Bereiche des Körpers erreicht. Denn nur dann kann der Körper Liu Shengs (gest. 113 v. Chr.), Sohn des Kaisers Jing und älterer Bruder des amtierenden Kaisers Wu, für die Ewigkeit konserviert werden.

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Herzen „Im Stein“ – Von Liebe, Sex und Träumen

„Aber ich mag die Nacht. Ja. Man ist irgendwie auf der anderen Seite. Auch wenn das komisch klingt jetzt. Was Besonderes. Nachtarbeiter. Wir sind mit der Stille verbündet. Ich denke manchmal, dass wir alle Schlafwandler sind.“

(Clemens Meyer, Im Stein)

„Im Herzen froh, stieg ich bis zu des Berges Stelle,
Von der die Stadt sich voll dem Blick erschließt,
Spital, Bordell, Gefängnis, Fegefeuer, Hölle,
Wo alles Ungeheure so wie eine Blume sprießt.“

(Charles Baudelaire, Der Spleen von Paris)

Gepolsterte Sitzbänke. Holzstühle. Ledersessel. Das Licht von Edison-Glühbirnen taucht den von Trennwänden geteilten Raum in Dämmerung. Musik dudelt aus unsichtbaren Lautsprechern. Wärme. Das Echo von Gesprächen. Wind hat sich verirrt. Es ist Abend. Und alles scheint möglich. Die perfekte Atmosphäre zwischen Sein und Nichtsein, Realität und Traum und Gedanken, für die der Tag zu leer ist. Manches kann nur die Nacht offenbaren.

Das Literaturcafé im Haus des Buches Leipzig ist fast bis auf den letzten Platz besetzt an einem Donnerstagabend, der nicht mehr ganz dem Sommer, aber auch noch nicht vollständig dem Herbst gehört, sondern irgendwie im Dazwischen liegt. Und eben dieses Dazwischen ist es denn auch, das den Abend durchzieht. Der Leipziger Schriftsteller Clemens Meyer ist zu Gast und liest aus seinem 2013 im S. Fischer Verlag erschienenen und 2014 mit dem Bremer Literaturpreis ausgezeichneten Roman „Im Stein“. Es geht um käufliche Liebe, Nachtarbeiter, Macht, Geld, Abgrund, die Zukunft und die Vergangenheit, das Hier und das Jetzt. Ein Gesellschaftsroman, der den Leser in eine Parallelgesellschaft führt und dabei zwangsläufig mit der eigenen Angst, der eigenen Schuld, der eigenen Gier, der eigenen Lust, dem eigenen Tod konfrontiert und das auf eine Weise, die mal direkt, mal grob, mal brutal, mal hoffnungsvoll, mal ernüchternd, mal hinterfragend, mal schlüpfrig, aber ganz sicher mythisch und vor allem poetisch ist. Wobei sich in all den seidenen dunklen Fäden, die mich beim Lesen an ein Spiel von Schattenfiguren erinnert haben, unweigerlich die Frage stellt: Und was ist mit der Liebe in all den Bewegungen, den Gedanken, Stimmen und Verwicklungen? Mr. Orpheus sucht Eurydike. Doch Eurydike lacht und lässt den Geldbeutel klimpern.

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