Nichts scheint so fern wie die Magie, nichts so nah. Auf der einen Seite das Mittelalter, Ägypten, die Orakel und Zaubersprüche in fremdem Kauderwelsch, das ganze Abakadabra der geistigen Vernebelung. Der Glaube, Dinge durch den Geist bewegen zu können … Halt, da ist schon die andere Seite, die Nähe allen magischen Denkens. Wer glaubt, durch richtiges Denken die Wirklichkeit verändern zu können, denkt schon magisch. Von den Blicken in die Horoskope will ich gar nicht reden, aber doch von kleinen Alltagshandlungen, die magischen Charakter haben. Zum Beispiel sich einen Guten Morgen zu wünschen. Durch das Aussprechen dieses Wunsches soll der Morgen ja ein guter werden. Und die vielen anderen Wünsche, Hals- und Beinbruch, ich drück dir den Daumen. Sie müssen alle ausgesprochen werden. Die Sprache selbst also bürgt für die Anwesenheit der Magie. Denn sie rückt das, was fern ist, zum Beispiel die Vergangenheit oder ein anderes Land, in unser Bewusstsein. Das nennt man auch Telekinese. Die Sprache vollbringt es, wie die Musik, durch Schwingungen, freundliche, aufbauende, erfrischende wie auch runterziehende, deprimierende, sinnlose. Höhere Magie und niedere. Wie Magie baut Sprache auf Ritualen auf. Es gibt Wortfolgen, Konjunktionen, die verbinden, es gibt Objekte und Subjekte, Syntax und Regeln generell. Interessant ist, dass das Wort für Grammatik, lat. grammatica sich in Französisch in grammaire und grimoire spaltet, also Grammatik und Zauberbuch. Auch im Mittelenglischen hat grammarye eine Zauberkomponente, die sich im Glamour wiederfindet.
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