Grässlich, hässlich, menschlich? – Auf Spurensuche in der mythischen Welt der Monster

Ob Alf, der knuffige Besucher vom Planeten Melmac, das geifertriefende Alien mit seinen Rasiermesserzähnen, Bram Stokers blutgierender Graf Dracula oder das aus Leichenteilen gefertigte Geschöpf des Viktor Frankenstein, sieht man sich in der modernen und postmodernen Fernseh-, Film-, Werbe-  und Literaturlandschaft um, kommt man um die absonderlichen Gestalten nicht herum, die uns mal Furcht einflößen, mal Mitleid in uns erwecken oder uns sogar zum Lachen bringen.

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„This is your universe, Frankenstein!“ – Theater mit Geschöpf und Schöpfer

Wir haben den Roman vorgestellt. Wir haben Mensch und Monster untersucht. Nun begeben wir uns anlässlich des Frankenstein-Jahres 2018 ins Londoner Royal National Theatre.

Theater mit Geschöpf und Schöpfer

Stille. Dunkelheit. Plötzlich zerreißen Blitz und Donnerschlag das angespannte Nichts.

Eine Apparatur mit einer Art Kokon, darin ein großer Fötus. Erneutes Wetterleuchten, erneuter Donner. Der Fötus bewegt sich. Ein Unwetter wütet. Der Blitz schlägt in die Apparatur des Grauens ein und bringt schließlich das Herz des übergroßen Ungeborenen zum Schlagen. Die Membran reißt. Der Vogel kämpft sich aus dem Ei, sprich, das Wesen ohne Namen sich auf die Welt. Der Zuschauer wird zum Zeugen einer Geburt. Es ist auch hier eine schmerzhafte Geburt, mit Blut, Schleim und Schrei. Da liegt es, das Neugeborene. Gleich einem Säugling schreit es, strampelt, erschrickt vor grellem Licht und lauten Geräuschen. Es windet sich, kriecht, kommt schließlich auf die Beine und läuft ungelenk umher. Frankensteins Kreatur. Der Wissenschaftler hatte in nächtelanger, geheimer Forschungsarbeit aus Leichenteilen einen neuen Körper zusammengesetzt und dann vorübergehend sein Labor verlassen. Als er nach einiger Zeit zurückkehrt und „seine“ zum Leben erwachte Kreatur vorfindet, erschrickt er bis ins Mark. Was er so lange ersehnte, nämlich tote Materie zum Leben erwecken zu können, ist ihm letztendlich gelungen. Doch welch grauenvollen Anblick bietet dieses Wesen! Voller Narben, Rotz und Schmutz, guttural lallend und stammelnd, denn noch hat ihm niemand das Sprechen gelehrt. Frankenstein flieht voller Abscheu, nicht ohne sein Werk zu verdammen: „What have I done?“

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Frankenstein im Pfingstgeflüster

Mit unserem Beitrag zum Wave Gotik Treffen 2018 wollten wir die Thematik des Frankenstein und seiner Schöpfung einem breiten Publikum auf unterhaltsame Art und Weise näherbringen, was uns auch gelungen ist. Ein volles Haus und interessierte Zuhörer haben uns bestätigt, wie aktuell dieser Roman und seine Grundidee ist.

Umso mehr freute es uns, als mich Marcus Rietzsch, der Herausgeber des Pfingstgeflüster, auf Facebook kontaktierte und anfragte, ob wir nicht Lust hätten, einen Vortragsbeitrag beizusteuern. Das Pfingstgeflüster, ein Bild-Text-Band, der jährlich im Zuge des Wave Gotik Treffens in der Edition Subkultur erscheint, hat es sich zur Aufgabe gemacht, Impressionen des einzigartigen Musik- und Kulturfestivals festzuhalten und diese in hochwertigem Design zu verewigen. Es bietet Einblicke in Lesungen, musikalische Highlights, Kunstausstellungen und natürlich dem Herz des Leipziger Festivals – die Besucher. Für alle, die diesmal nicht dabei sein konnten, die ein literarisches, zusammenfassendes Erinnerungsstück mitnehmen oder sich Einblicke in Veranstaltungen holen wollen, zu denen sie es leider nicht geschafft haben.

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Der wahnsinnige Wissenschaftler und das Scheusal: Zweihundert Jahre „Frankenstein“

Zwei Gestalten der populären Imagination sind 2018 zweihundert Jahre alt geworden: Frankenstein und sein Monster. Jeder kennt sie, weil jeder mindestens einen Film über sie gesehen hat, und Boris Karloff als Monster in der Verfilmung von 1931 ist geradezu eine Ikone geworden. Immer wieder variieren Drehbuchautor und Regisseure die Geschichte vom besessenen Wissenschaftler, der aus Leichenteilen einen Menschen zusammenbaut, ihn belebt – meist per Galvanismus – und dann vor seiner monströs geratenen Schöpfung Reißaus nimmt und damit eine Kette katastrophaler Ereignisse in Gang setzt. All diese Versionen gehen letztlich auf einen Roman zurück, der 1818 – zunächst anonym – in London erschien: „Frankenstein oder Der moderne Prometheus“ von Mary Wollstonecraft Shelley. Seine Vielschichtigkeit erreichen sie allerdings selten oder vielleicht nie. Denn um puren Horror geht es darin nicht, auch wenn die Grundidee tatsächlich eine Gruselgeschichte war: Mitte Juni 1816 saßen die englischen Dichter Lord Byron und Percy Bysshe Shelley, Shelleys damals 18jährige Lebensgefährtin und spätere Ehefrau Mary und Byrons Leibarzt und Reisebegleiter John William Polidori in einer Villa am Genfer See, während es tagelang in Strömen regnete. Die Protagonisten der literarischen Romantik unterhielten sich über neueste naturwissenschaftliche Experimente, über die Möglichkeit, künstliches Leben zu schaffen, lasen einander Gespenstergeschichten vor, die aus dem Deutschen ins Französische übersetzt worden waren, und beschlossen dann, selber welche zu erfinden. Bloß Mary wollte lange keine einfallen. Aber dann hatte sie einen Alptraum und ihre Geschichte – und in den folgenden beiden Jahren machte sie ihren ersten Roman daraus.

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