Herzen „Im Stein“ – Von Liebe, Sex und Träumen

„Aber ich mag die Nacht. Ja. Man ist irgendwie auf der anderen Seite. Auch wenn das komisch klingt jetzt. Was Besonderes. Nachtarbeiter. Wir sind mit der Stille verbündet. Ich denke manchmal, dass wir alle Schlafwandler sind.“

(Clemens Meyer, Im Stein)

„Im Herzen froh, stieg ich bis zu des Berges Stelle,
Von der die Stadt sich voll dem Blick erschließt,
Spital, Bordell, Gefängnis, Fegefeuer, Hölle,
Wo alles Ungeheure so wie eine Blume sprießt.“

(Charles Baudelaire, Der Spleen von Paris)

Gepolsterte Sitzbänke. Holzstühle. Ledersessel. Das Licht von Edison-Glühbirnen taucht den von Trennwänden geteilten Raum in Dämmerung. Musik dudelt aus unsichtbaren Lautsprechern. Wärme. Das Echo von Gesprächen. Wind hat sich verirrt. Es ist Abend. Und alles scheint möglich. Die perfekte Atmosphäre zwischen Sein und Nichtsein, Realität und Traum und Gedanken, für die der Tag zu leer ist. Manches kann nur die Nacht offenbaren.

Das Literaturcafé im Haus des Buches Leipzig ist fast bis auf den letzten Platz besetzt an einem Donnerstagabend, der nicht mehr ganz dem Sommer, aber auch noch nicht vollständig dem Herbst gehört, sondern irgendwie im Dazwischen liegt. Und eben dieses Dazwischen ist es denn auch, das den Abend durchzieht. Der Leipziger Schriftsteller Clemens Meyer ist zu Gast und liest aus seinem 2013 im S. Fischer Verlag erschienenen und 2014 mit dem Bremer Literaturpreis ausgezeichneten Roman „Im Stein“. Es geht um käufliche Liebe, Nachtarbeiter, Macht, Geld, Abgrund, die Zukunft und die Vergangenheit, das Hier und das Jetzt. Ein Gesellschaftsroman, der den Leser in eine Parallelgesellschaft führt und dabei zwangsläufig mit der eigenen Angst, der eigenen Schuld, der eigenen Gier, der eigenen Lust, dem eigenen Tod konfrontiert und das auf eine Weise, die mal direkt, mal grob, mal brutal, mal hoffnungsvoll, mal ernüchternd, mal hinterfragend, mal schlüpfrig, aber ganz sicher mythisch und vor allem poetisch ist. Wobei sich in all den seidenen dunklen Fäden, die mich beim Lesen an ein Spiel von Schattenfiguren erinnert haben, unweigerlich die Frage stellt: Und was ist mit der Liebe in all den Bewegungen, den Gedanken, Stimmen und Verwicklungen? Mr. Orpheus sucht Eurydike. Doch Eurydike lacht und lässt den Geldbeutel klimpern.

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„Die Erde steht offen“: Geister, Tote und der heilige Valentin

Die Welt ist rot und besteht aus Herzen. Dieser Eindruck zwingt sich einem unmittelbar auf, schaut man dieser Tage ins private Mail-Postfach, wo sich die Werbungen tummeln. Dasselbe gilt für den Marsch durch Einkaufspassagen oder – der Konsumapathie zum Trotz – für den Besuch von Cafés, Drogerien, Kaufhäusern. Von den tausenden um tausenden Internetseiten ganz zu schweigen. Herzen. Bärchen. Rosen. Schokolade. Kissen. Kitsch. Es ist überall. Und wir ahnen es: Der Valentinstag steht bevor. Der Tag der Verliebten, an dem man sich besonders lieb hat (oder lieb haben sollte), was für die restlichen 364 Tage des Jahres hoffentlich genauso gilt.

Dabei ist es um den Festtag des heiligen Valentin, der am 14. Februar begangen wird, nicht gar so romantisch bestellt, zumindest nicht bis ins 14. Jahrhundert. Denn erst im Spätmittelalter erkor man den Tag, den Papst Gelasius I. im Jahre 496 offiziell als Gedenktag eingeführt hatte, als geeignet für das Fest der höfischen (und später der romantischen) Liebe. Die Süßigkeiten, Blumen und Liebesbekundungen sind sogar erst seit dem 18. Jahrhundert in Gebrauch. Auch begann um diese Zeit die Tradition, dem oder der Liebsten kleine Grußgarten zu senden, die sogenannten „Valentines“. Sogar Schlüssel erfreuten sich großer Beliebtheit, symbolisieren sie doch das Aufschließen des Herzens. Sogar an Kinder wurden sie verschenkt. Allerdings nur indirekt als Liebesbeweis, denn man sagte Schlüsseln nach, sie könnten die „Valentins-Krankheit“ abhalten. Damit war die Epilepsie gemeint, denn der heilige Valentin von Terni (3. Jahrhundert n. Chr.) wurde bei Krankheiten (allen voran der benannten „Fallsucht“), um Beistand angerufen.

Allerdings war eben dieser Valentin nicht der einzige Valentin oder Valentinus. So gab es noch einen Valentin von Rom. Dieser war Priester und erlitt um 269 n. Chr. eben dort den Märtyrertod. Sein Begräbnisort, die Kirche San Valentino in Rom, galt bis zum Ende des Mittelalters als wichtiger Wallfahrtsort. Der bereits erwähnte Valentin von Terni wiederum war Bischof und erlitt das Martyrium um 273 n. Chr., nachdem er Kranke geheilt und christliche Taufen vollzogen hatte. Es wurde lange vermutet, dass es sich bei beiden um ein und dieselbe Person gehandelt haben könnte, unabhängig davon, dass in verschiedenen Kirchen Roms oder in Terni Reliquien von ihnen aufbewahrt und verehrt werden. Der endgültige Beweis darüber steht allerdings noch aus. Zudem erwähnt die „Katholische Enzyklopädie“, ein zu Beginn des 20. Jahrhunderts publiziertes Nachschlagewerk zum katholischen Glauben, einen dritten Valentin, der angeblich in Afrika das Martyrium erlitt und über den ansonsten nicht viel bekannt ist.

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