Zweifellos wäre es unterkomplex, würde man versuchen, die gesamte Göttliche Komödie auf nur einen Aspekt, wie den psychologischen, zu reduzieren. Viele Ebenen treffen in diesem monumentalen Werk aufeinander und viele Deutungen bieten sich an und scheinen gerechtfertigt. Aber doch wird der psychologischen Dimension fast zu wenig Beachtung geschenkt. In einer der populäreren Sekundärlektüren zu Dante, Kurt Flaschs „Einladung, Dante zu lesen“, gibt es zumindest keinen dezidierten Abschnitt, der sich ausschließlich mit diesem Themenbereich beschäftigt. Andere Faktoren, wie politische Interessen, wirtschaftliche Interessen, historische Zufälligkeiten mit ihren Konventionen wie Genres und intellektuellen Diskursen, lösen die Psyche zwischen sich auf und machen sie zu einem Geist. Jedoch Geist im Sinne von Schemen, Gespenst, nicht im Sinne von spiritus. Eine rein zufällige Form, die sich nur unter einem bestimmten Blickwinkel zeigt, aber nicht aus sich selbst heraus ist. Die Illusion eines Blickes auf den Flügeln eines Schmetterlings, bloße Funktion der natürlichen Auslese.
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