Stonehenge. Geheimnisvoll. Mythisch. Sagenumwoben. Um kaum einen anderen Ort ranken sich mehr Mysterien, als um die jungsteinzeitliche Kultstätte im Süden Englands. Der Steinkreis zieht nach wie vor Besucher aus der ganzen Welt an und gehört zu den touristischen Hauptattraktionen Großbritanniens.
Als ich mit Freunden im April dieses Jahres nach Bristol reiste, gehörte deshalb ein Besuch dieses Weltkulturerbes ganz selbstverständlich zu unserem Programm. Ich hatte Stonehenge bereits 1991 besucht und war damals recht desillusioniert über dessen in meinen Augen arg kommerzialisierte und inadäquate Darbietung; die nahegelegene, stark frequentierte Fernstraße tat ein Übriges dazu, die Aura dieses geschichtsträchtigen Ortes erheblich zu stören. Rotweißes Absperrband flatterte rund um die Anlage im Wind; bei jeder fotografischen Aufnahme musste man aufpassen, dass einem nicht versehentlich ein anderer Besucher durchs Bild lief. Umso erfreuter war ich, bei meinem jüngsten Besuch eine völlig neue, der Bedeutung dieses Kulturplatzes weitaus angemessenere Präsentation vorzufinden.
Wer nicht im privaten PKW anreisen möchte, hat die Möglichkeit, einen der im nahegelegenen Salesbury bereitstehenden roten Doppelstockbusse zu nutzen; wir hatten für die durchaus moderate Summe von ca. 30 Pfund Anfahrt und Eintritt als Paket gebucht. Bereits während der Fahrt gibt es via Kopfhörer eine kurze Einführung zu Mythos und Geschichte Stonehenges.
Nach einer etwa zwanzigminütigen Fahrt stiegen wir erwartungsvoll aus dem Bus. Uns erwarteten ein hochmodernes und angenehm unprätentiöses Besucherzentrum mit einer spannenden und visuell beeindruckenden Ausstellung rund um den berühmten Ort. Die Nachbildung einiger neolithischen Hütten sowie eines Megalithen „zum Anfassen“ stimmen die Gäste auf das Bauwerk ein. Für das kulinarische Wohl sorgt ein Café; natürlich fehlt auch der gut ausgestattete Souvenirshop nicht.
Zur eigentlichen Kultstätte führt ein gut zu laufender Weg von ca. zwei Kilometern; Fußmüde haben die Möglichkeit, einen der bereitstehenden Shuttlebusse zu nutzen, die den Besucher in respektvollem Anstand zur Anlage entlassen. Man läuft noch einmal etwa zehn Minuten, und da steht es, atemberaubend, beeindruckend, wunderschön: Stonehenge. Davor halte ich inne und lasse mich von der immer noch geheimnisvollen Atmosphäre dieses Ortes gefangen nehmen. Auch der die Stätte langsam umrundende Touristenstrom sowie die zahlreichen grasenden und blökenden Schafe ringsum können meine empfundene Faszination nicht schmälern.
Der Name Stonehenge entstammt dem Altenglischen und bedeutet in etwa „hängende Steine“. Zur ursprünglichen Nutzung dieser Anlage existieren mehrere, sich teilweise widersprechende Theorien. Der Ort wird als religiöse Weihestätte interpretiert, als Kultur- und Versammlungsstätte oder auch als Observatorium, da einige Achsen dieser Anlage nach dem Stand der Sonne am Mittsommertag ausgerichtet sind. Angelegt wurde Stonehenge in mehreren Etappen; man nimmt an, dass die erste Phase der Anlage mit einem runden Erdwall und einem Graben bereits 3100 v. Chr. entstand. Die charakteristische Megalithstruktur wurde dagegen 500 bis 1000 Jahre später errichtet.
Die berühmten Steinkreise bestehen aus einem äußeren und einem inneren Kreis. Der äußere Kreis umfasst einen Durchschnitt von etwa dreißig Metern und enthält große, 25 Tonnen schwere Pfeilersteine, von denen jeweils zwei von einem Deckstein überbrückt werden; der innere Kreis besteht aus einer hufeisenförmigen Anordnung von ursprünglich fünf sogenannten „Trilithen“ – jeweils zwei bis fünf Tonnen wiegend – sowie weiteren kleineren Steinen. Ein Graben von 104 Metern Durchmesser umgibt die Anlage, der sich Besucher dank der Absperrung nur bis auf etwa zehn Metern nähern können; letztere ist notwendig, um eine Wiederholung des in vergangenen Tagen aufgetretenen Vandalismus an den Steinen zu vermeiden.
Die Sonnenwenden im Winter und Sommer ziehen besonders viele spirituell orientierte Menschen zu dem berühmten Steinkreis, darunter auch Druiden, Barden und andere Angehörige heidnischer Kulte. Laut der für den Ort zuständigen Organisation English Heritage haben im Jahr 2017 rund 1,4 Millionen Menschen das Monument nahe der Stadt Salisbury besucht.
Fazit: Stonehenge ist unbedingt eine Reise wert. Mein Tipp: Die Sommer- bzw. Wintersonnenwende dazu meiden, es sei denn, man hat Lust auf jede Menge Trubel und Spektakel. Für den Besuch am besten mehrere Stunden einplanen – die mythische Atmosphäre dieses Ortes erschließt sich nicht im Schnelldurchgang. Windfeste Kleidung nicht vergessen – unabhängig der Jahreszeit weht dort immer eine kräftige Brise. Und last but not least danach die nahegelegen, uralte ehemalige Siedlung Old Sarum erkunden, inklusive Burganlage, welche zudem einen weiten Rundblick über die malerische Landschaft gewärt.
Ein Beitrag von Isabel Bendt
Literaturhinweise:
Bernrad Maier. Stonehenge. Archäologie, Geschichte, Mythos. 2005.
Julian Richards. Stonehenge. English Heritage. 2005.
© Arbeitskreis für Vergleichende Mythologie e. V.