Es ist August und die Sternschnuppen sind los. Neben den Quadrantiden (Januar), den Leoniden (November) und den Geminiden (Dezember) zählen die Perseiden, die jährlich im Zeitraum vom 17. Juli bis 24. August am nächtlichen Himmel zu sehen sind, zu den bekanntesten Meteorstürmen. Dass wir dieses Phänomen beobachten können, hat mit dem jährlichen Sonnenumlauf der Erde zu tun. Auf ihrem Weg kreuzt oder gerät unser Planet regelmäßig in die Nähe von Asteroiden- oder Kometenbahnen. Gas- und Staubpartikel der Himmelskörper sind dann als Sternschnuppen am Nachthimmel sichtbar. Je nachdem,, wo der Radiant liegt, jener Punkt der den scheinbaren Anfang der Sternschnuppen markiert, leitet sich der Name des Schwarms ab. So haben die Perseiden ihren „Ursprung“ im Sternbild Perseus.
Als Sohn des Zeus ist Perseus einer der bekanntesten Heroen der griechischen Mythologie. Sein Sternbild gehört zu den größeren am nördlichen Himmel und kann das ganze Jahr über beobachtet werden, am besten aber in Herbst und Winter. Der hellste Stern ist Mirfak (auch Alpha Persei genannt), der zu den 50 hellsten Sternen überhaupt zählt. In der bildlichen Darstellung sieht man Perseus, wie er das abgeschlagene Haupt der Gorgone Medusa hält. Viel Mythologie also beim Blick nach oben und ein sommerliches Spektakel, das eines wahren Helden würdig ist. Allerdings darf man mythologisch spekulieren, dass der Name „Perseiden“ eventuell auch mit einem gewissen Perses in Verbindung stehen könnte.
Perses ist ein Titan, entstammt also demselben alten Göttergeschlecht wie der Schöpfer und Feuerbringer Prometheus. Der Name Perses bzw. Perseus ist vermutlich abgeleitet vom altgriechischen Verb περθω („perthō„), was u. a. „plündern“, „zerstören“ oder „verwüsten“ bedeuten kann. Allerdings beschreibt der Dichter Hesiod in seiner Theogonie den Titanen Perses als einen, „der sich vor allem durch Klugheit hervortat“ (375). Mit der Titanide Asteria (griechisch ἀστήρ „astḗr“ > Stern) zeugte er Hekate, Göttin der Magie und Wächterin der Wegkreuzungen, Schwellen und auch der Tore zwischen den Welten des Diesseits und des Jenseits. Und irgendwie kann man sich beim Blick in den Nachthimmel des Gedankens nicht erwehren, dass ein bisschen Zerstörung (so wurden Kometen meist als Unglücksbringer gedeutet) und ein bisschen Magie (man denke an den Anblick der Milchstraße oder die Betrachtung des Mondes) oft wahrhaftig Ansichtssache sind und manchmal nah beieinander liegen.
Der Barockmaler Adam Elsheimer (1578-1610) war übrigens der erste, der den Sternenhimmel in seinem Gemälde „Die Flucht nach Ägypten“ (1609) fast naturgetreu dargestellt hat. Wahrscheinlich in einer Vollmondnacht in Rom und das mit Hilfe eines Fernrohrs, jenes Instruments, dessen Siegeszug die Beobachtung der Nacht und der Sterne revolutionieren sollte. (Vgl. Kalisa, S. 117 ff.) Betrachtet man das nächtliche Bild, ist es nicht schwer, sich ein bisschen magisch gebannt, irgendwie auf sich selbst zurückgeworfen und zwischen den Welten taumelnd zu fühlen. Sehr poetisch hat dieses Empfinden auch Erich Kästner (1899-1974) in der letzten Strophe seines Gedichts „Der August“ ausgedrückt.
„Nichts bleibt, mein Herz. Bald sagt der Tag Gutnacht.
Sternschnuppen fallen dann, silbern und sacht,
ins Irgendwo, wie Tränen ohne Trauer.
Dann wünsche Deinen Wunsch, doch gib gut acht!
Nichts bleibt, mein Herz. Und alles ist von Dauer.“
In diesem Sinne wünschen wir allen Nachtschwärmerinnen und Nachtschwärmern ein frohes Beobachten der Perseiden und viel Freude beim Hören der zweiten Folge des MYTHO-Cast, in dem wir den Sternen auf märchenhafte Weise noch einmal ganz anders auf die Spur kommen.
Ein Beitrag von Dr. Constance Timm
Literaturhinweise:
Hesiod. Theogonie. Übersetzt und herausgegeben von Otto Schönberger. Reclam: Stuttgart 1999.
Karin Kalisa. Magst du die Nacht? 18 Geschichten von der anderen Seite des Tage. Droemer: München 2023.
Pflanzenmärchen aus aller Welt. Ausgewählt und illustriert von Djamila Jaenike. 2. Aufl. Mutabor Verlag: Trachselwald 2020.
Die Sterntaler – Brüder Grimm (grimmstories.com)
© Arbeitskreis für Vergleichende Mythologie e. V.
Für die Lesung „Der Mond und das wundertätige Lebenskraut“ danken wir dem Mutabor Verlag für die freundliche Genehmigung.