Basilisk

Ja, hallo. Also mein Name ist Basilisk und ich möchte ein wenig von mir und meinen Problemen erzählen. Alles begann mit meiner Geburt, die an sich schon ein Fehler war und viele meinen, dass das wieder dem Willen Gottes gewesen ist. Meinen Vater habe ich nie kennengelernt, aber ich weiß, dass er ein stolzer, ja prächtiger Hahn gewesen ist, und dass er eigenständig ohne jede Hilfe das Ei gelegt hat, aus welchem ich dann schlüpfen sollte. Kurz darauf hat er mich und meine Mutter aber verlassen – ohne die kleinste Vorwarnung!

Meine Mutter ist Kröte und wir sind nicht direkt verwandt, weil sie Papas Ei eigentlich nur ausgebrütet hat, aber ich liebe sie, als wäre sie meine leibliche Mutter. Welche ja irgendwie mein Vater selbst ist. Naja es ist kompliziert. Jedenfalls hat das irgendwie was mit mir gemacht. So ganz ohne Vater aufzuwachsen ist traumatisch oder so, meint mein Therapeut. Ich habe das auch schon früh gemerkt, dass ich schon anders bin als die anderen Kinder. Zum einen natürlich, weil ich den Kopf einen Hahnes habe und der Rest von mir mehr oder weniger schlangenförmig ist. Ok gut, geschenkt. Aber da sind noch andere Sachen … Zum Beispiel kann ich mit meinem Blick andere versteinern! Einfach so! Deswegen waren bei uns zu Hause immer alle Spiegel abgehangen und ich musste mit hölzernen Löffeln essen. Wenn ich raus wollte, musste ich auch immer so eine dickrandige und total bescheuerte Sonnenbrille aufsetzen. Selbstredend, dass ich für die ausgiebig gehänselt wurde.

An manchen Tagen, wenn es wieder besonders schlimm gewesen ist, bin ich nach der Schule zum Weiher gefahren und saß stundenlang am Ufer. „Heute mach ich’s“, hab ich mir gesagt und war drauf und dran mir das dämliche Teil vom Kopf zu reißen. Bereit mein wässriges Ebenbild zu mir raufschauen zu lassen. Direkter Augenkontakt. Aber getraut habe ich mich letztlich doch nie. Um mich zu trösten, hat mir meine Mutter eine kleine Krone geschenkt. Hab das Teil geliebt, nicht mal zum Duschen hab ich die abgesetzt! Das hat mir von den anderen den Spitznamen „König der Schlangen“ eingetragen und auf Latein heiße ich ja auch „regulus“, was soviel wie kleiner König oder Häuptling bedeutet. Ich glaube aber, das meinten die wohl nur ironisch.

Giftig bin ich ja auch noch. Aber so richtig überall und vollständig. Mein Atem, meine Haut, mein HUMOR. Alles an mir ist pures Gift, wie soll es einem da nicht vergehen? Symbolisiere ich deswegen die christlichen Todsünden Neid und Hochmut? Welcher von den zahllosen Idioten, die mich umgeben, sich das ausgedacht hat, würde ich nur zu gerne wissen! Ich hasse, dass ich nicht auch so viel Einfluss habe, den Ruf von jemanden derart zu beschmutzen. Gott ist Sadist, soviel ist klar, und ich hasse ihn, dafür mich so gemacht zu haben und alle anderen sowieso. Dass die Syphilis den Beinamen Basiliskengift erhalten hat, finde ich auch so richtig mies. Ich bin nämlich noch Jungfrau. Also da gab es zwar schon mal so ein Mädchen. Die war klasse. Sah genauso aus wie ich, nur mit Flügeln. Wunderschönen, weiten Flügeln. Cockatrice hieß die. Aber weil wir halt beide so giftig waren, konnte das einfach nicht gut gehen. Teil von Gottes Plan mich zu armseligsten Kreatur der Welt zu machen, klare Sache.

Mein Therapeut, Sigmund Freud heißt der übrigens, hat mir in einer unserer Sitzungen mal gesagt, ich müsste die Sache mit meinem Vater endlich hinter mir lassen, und andere mehr an mich ranlassen. Also ohne sie gleich mit meinem Blick zu töten, versteht sich. Aber der hat mir auch mal was Unaussprechliches in Bezug auf meine Mutter unterstellt und seitdem geh ich nicht mehr da hin. Ich weiß auch echt nicht, wie ernst man den noch nehmen kann. Zumindest war er so fasziniert von mir, dass er das Konzept des Narzissmus, an dem er damals gearbeitet hat, in Basiliskmus umbenennen wollte. Kam aber nicht dazu. Tja, ich bin halt kein griechischer Jüngling. Die haben Freud wohl doch ein Stück besser gefallen. Griechische Jünglinge und Zigarren (zwinkern würde ich ja an dieser Stelle gerne, aber das hab ich mir abgewöhnt, weil meine Brille manchmal verrutscht …).

Ansonsten bin ich ganz schön rumgekommen in den letzten Jahrhunderten. Aachen, Basel, Wien. Stadtluft ist Basiliskenluft, und da fühl ich mich am wohlsten. Grade bin ich auch wieder in London an so einer Schule für Kinder mit speziellen Bedürfnissen und Fähigkeiten. Hogwash oder so. Hat mich nie im Detail interessiert. Salazar Slytherin war da Gründungsmitglied und hat mir vor Unzeiten mal einen Nachtwächterjob im Keller angeboten. Seitdem bin ich dort und das Leben ist so gut, wie es zu jemanden wie mir wohl sein kann. Niemand stört mich, niemand ärgert mich. Ich halte mich fit, indem ich das ausgedehnte Abwasserrohrsystem in meine persönliche Laufstrecke umfunktioniert habe, und abends schreibe an meinem ersten Werk. Ja, es ist eine Liebesgeschichte, „un roman d’amour“ wie der Gebildete zu sagen pflegt, danke der Nachfrage. Einer von den neuen Schülern hier ist allerdings irgendwie komisch, der scheint zu verstehen, wenn ich meine Kurzprosa einübe und rezitierend/rezi-zischend durch die Wände schlängle. Das kannte ich immer nur von Salazar unter den
Menschen. Ganz ehrlich gesagt, habe ich auch sonst kein gutes Gefühl, was den Burschen anbelangt. Ist jetzt aber auch egal und sicher nicht so wichtig. Ich bin auch wirklich ganz schön ins Plaudern gekommen, und heute muss ich noch zu meinem neuen Therapeuten. Ich wünschte, ich wär Therapeut, ich könnte das besser als der. Na gut, ich komm eh zu spät, schade, dass die Zeit nicht auch etwas ist, das ich versteinern lassen kann, haha. Naja… .

Giftig grüßt das Schlangentier
Basiliskos

 

Der Basilisk dankt herzlich seinem verständnisvollen Autor Sebastian Helm.

Mehr zu mir bei:

Marianne Sammer: Basilisk – regulus. Eine bedeutungsgeschichtliche Skizze. In: Ulrich Müller, Werner Wunderlich (Hrsg.): Dämonen, Monster, Fabelwesen, (= Mittelalter Mythen; Bd 2), Universitäts-Verlag Konstanz: St. Gallen, 1999.

Sigmund Freud/Karl Abraham: Briefe 1907 – 1926, Frankfurt a. Main.

Sigmund Freud: Zur Einführung des Narzissmus, Leipzig 1924.

 

© Arbeitskreis für Vergleichende Mythologie e. V.

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