Metzler Lexikon literarischer Symbole

Ohne Übertreibung kann dieses Opus – mittlerweile von den Herausgebern in der dritten Auflage hervorragend betreut – als Monumentalwerk bezeichnet werden. Geriet schon die erste Auflage 2008 zu einem Standardwerk, so ist diese dritte Auflage dank etlicher Erweiterungen – es handelt sich um Neuaufnahmen von Lemmata und um das Bedeutungsregister, das das Buch in die Tiefe hinein zu erschließen vermag – die mit 1,7 kg Gewicht wahrhaft schwergewichtige Fortsetzung.

Schon in dem Vorwort zur ersten Auflage haben die Herausgeber darauf hingewiesen, dass dieses Lexikon nicht um die Erläuterung des Begriffs ‚Symbol‘ ringt; dieser Begriff taucht als Lemma folgerichtig auch nicht auf. Vielmehr werde als Symbol „die sprachliche Referenz auf ein konkretes Ding, Phänomen oder auch eine Tätigkeit verstanden, die mit einem über die lexikalische Bedeutung hinausweisenden Sinn verknüpft“ sei (VIII). Es geht also darum, wie bestimmte Begriffe (sie erscheinen als Lemmata) in der Literatur von der Antike bis in die Moderne mit einem Symbolgehalt versehen werden. Ein Beispiel: Adler (6–8). Auf der ersten Bedeutungsebene erscheint der Adler als „Symbol der Verbindung zwischen Gott und Mensch“, auf er zweiten als „Symbol der (politischen) Stärke“. Bleiben wir bei der ersten Ebene: Da erscheint der Adler als ‚Seelenräuber‘, als Symbol des Hochmuts, aber auch als Symbol der Auferstehung und der Verjüngung. In der griechischen Mythologie treffe man ihn als Überbringer göttlicher Botschaften – und so weiter. Eine Verbindung etwa zur Ganymed-Geschichte – Zeus schickt seinen Adler, um Ganymed, den schönsten der jungen Männer, nach oben zu holen – gibt es hier nicht; die müssen wir im Bereich der Ikonographie suchen, und das ist nicht mehr der Arbeitsbereich dieses Lexikons. Man kann sich gut vorstellen, das Stichwort „Zahlen“ mitsamt den Hinweisen auf Zahlensymbolik in verschiedenen Epochen (725–727) um Beiträge zur Zahlensymbolik, wie sie die Kunstgeschichte etwa für das Mittelalter beschreibt, sinnvoll zu ergänzen (vgl. z.B. Oliver Beigbeder, Lexikon der Symbole [1998] S. 447–481).

Zu den einzelnen Stichwörtern gibt es eine kurze Einführung mit Darstellung der symbolischen Grundbedeutungen. Dann werden – wie beim Artikel ‚Adler‘ dargelegt – die vorgestellten Begriffsebenen mit vielfältiger Auswertung der Weltliteratur vorgestellt. Es folgen kurze Verweise auf verwandte Lemmata (bei Adler z.B. ‚Greif‘). Ein paar Literaturhinweise und das Beiträgerkürzel schließen den Beitrag ab. Wenn man sich vor Augen hält, welche Vielfalt es für jedes Stichwort zu bewältigen gilt (Homer, Physiologus, Dante, Brentano sind nur ein paar der Namen beim Lemma ‚Adler‘), wird rasch deutlich, welche Leistungsfülle im Hintergrund steht. Immer aber geht es um jene Symbole, die literarisches Schaffen hervorgebracht hat; sie seien „Produkte der kulturell vermittelten Einbildungskraft“ (IX), wie die Herausgeber etwas lapidar schreiben.

Der Band ist sehr benutzerfreundlich gestaltet. Ein alphabetisches Artikelverzeichnis (XVII–XXIV) zeigt ohne lästiges Blättern das Stichwort oder den Verweis (deren gibt es viele) an, beginnend mit dem Aar (zu finden unter ‚Adler‘), den auf Seite 1 einzufügen übersehen wurde. Für manche Fragestellung ist das „Artikelverzeichnis nach Sachgebieten“ (XXV–XXXIII) aufschlussreich. Eine sehr kurze Bibliographie leitet über zum Verzeichnis der Mitarbeiter und der Auflösung der Siglen und Abkürzungen. Dann setzt der Block der Lemmata ein (1–742), der auch Begriffe wie ‚Zahlen‘ oder ‚Vagina‘ umfasst.

Das Kernstück der Überarbeitung für die dritte Auflage ist das Bedeutungsregister (743–788). Es verzeichne, so der Vorspann, „alle Bedeutungen, die den einzelnen Symbolen innerhalb der Artikel zugewiesen werden“. Es geht also um Inhalte, nicht um die Begriffe. Ein Beispiel. ‚Ewigkeit‘ wird im Hauptblock nicht als Lemma geführt; wohl aber findet sich ein Eintrag im Bedeutungsregister. Zu suchen sind demnach Hinweise auf die literarische Symbolik der Ewigkeit bei den Lemmata ‚Augenblick‘, ‚Diamant‘, ‚Elefant‘ usw.; insgesamt werden 26 Verweise aufgeführt. Das ermöglicht vielseitiges Arbeiten mit dem weitgestreuten Material, das nicht nur von ‚Abend‘ über ‚Granatapfel‘ bis ‚Zypresse‘ reicht, sondern auch Lemmata wie ‚Fernrohr‘ oder ‚Auto‘ oder ‚Guillotine‘ umfasst.

Ein solches Lexikon zu gestalten ist ein Wagnis, weil man eigentlich nie fertig wird mit der Bearbeitung. Der Symbolforschung ist damit ein großer Dienst erwiesen worden! Dass dieses Buch jetzt in der dritten Auflage vorliegt, dass es so benutzerfreundlich gestaltet ist bei allem inhaltlichen Reichtum, ist den Herausgebern zu verdanken. Diesem Buch ist eine weitgestreute Leserschaft zu wünschen!

Ein Beitrag von Dr. Werner Heinz


Werner Heinz und arbeitet als freiberuflicher Archäologe und Historiker in Riedlingen (Süddeutschland). Seine Studien der Archäologie und der Kunstgeschichte, erweitert um Theologie und Philosophie, führten ihn zu einer langjährigen Untersuchung des römischen Heilbades von Badenweiler. Werner Heinz ist Autor von mehr als 180 Publikationen, darunter zehn monografische Titel. Er ist der zweite Vorsitzende der Gesellschaft für wissenschaftliche Symbolforschung e.V. und arbeitet im Beirat der internationalen Mittelalter-Zeitschrift Mediaevistik mit.


Literaturhinweis:

Butzer, Günter und Joachim Jacob (Hrsg.): Metzler Lexikon literarischer Symbole. 3., erweiterte und um ein Bedeutungsregister ergänzte Auflage. Berlin 2021: Springer – Metzler. XLVII, 788 S.


© Arbeitskreis für Vergleichende Mythologie e. V.

Eine Antwort auf „Metzler Lexikon literarischer Symbole“

  1. Vielen Dank für diese umfangreiche und informative Rezension. Das besprochene Werk scheint mir in seiner Gliederung und seinem Nutzwert ein „must have“ für Autoren zu sein – meine Neugier zumindest wurde geweckt.

    Frage:
    Gibt es zu diesem Lexikon auch eine (geplante) digitale Version? Die Menge an Inhalt, die Gruppierungen nach Zusammenhängen und die Auffindbarkeit der Suchbegriffe wären meiner Ansicht nach sehr gute Argumente für ein digitales Nachschlagewerk mit Suchfunktion und/oder Filteroptionen. Gerne auch in einer Online-Variante mit Bezahlschranke bzw. Membership.
    Eine Information hierzu erscheint mir wünschenswert. Beste Grüße aus Dänemark.

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