Kupfer: Metall, Heil- und Zaubermittel

Auf dem jüngsten Familientreffen verriet mir mein Bruder, er habe kürzlich einen Artikel über die kulturhistorische Bedeutung von Kupfer gelesen. Neugierig geworden, begann ich, bezüglich der Herkunft sowie der vielseitigen Verwendungsmöglichkeiten dieses Halbedelmetalls, das wir am ehesten als Wärme- und Stromleiter oder als Material der Münzprägung kennen, selbst in der heimischen Lektüre zu blättern. Die nachfolgenden Zeilen sind die Ergebnisse einer ersten Spurensuche.

Kýprion – Cuprum – Koparr – Kupfer

Etymologisch ist Kupfer von „kýprion“ abgeleitet, herkommend von Kýpros (Κύπρος), dem altgriechischen Namen für die Insel Zypern. Im Lateinischen nennt man es volkstümlich „cuprum“ (oder cyprom) bzw. kennt es als aes Cyprium oder Aes (in der Bedeutung Erz, Kupfer oder Bronze), Althochdeutsch „koffer“, Altnordisch „koparr“. Das Mittelhochdeutsche weist Kupfer als „kupfer“ aus, während das Niederländische „koper“ Ähnlichkeiten mit dem Altenglischen „copor“, später „copper“ besitzt.

Davon völlig abweichend kennt man Kupfer im mesopotamischen Raum als „urud/urudu“ (Sumerisch) oder „erium“ (Akkadisch), wobei URUDU ? als Keilschriftzeichen auch die Metalle insgesamt bezeichnen konnte, wobei die Edelmetalle wie Gold und Silber hiervon ausgenommen waren. Dem gegenüber kennt das Altgriechische noch die Bezeichnung χαλκός (khalkos > χάλκο, khalko ‚aus Erz, kupfern‘), dem das Hethitische „kuwanna“/“kunna“ entspricht. Mit „Chalkolithikum“ wird dabei oft die Kupfersteinzeit in Griechenland und Anatolien bezeichnet. Generell ist mit der Kupfersteinzeit jene Epoche der Menschheitsgeschichte gemeint, die zwischen der Jungsteinzeit (Neolithikum) und der Bronzezeit verortet wird. Zumeist wird der Begriff auf regionale Kulturen bezogen. Ein solches Beispiel für eine chalkolithische Kultur ist die Halaf-Kultur (benannt nach dem Ausgrabungsort Tell Halaf im heutigen Syrien) in Nordmesopotamien des 6. und 5. vorchristlichen Jahrtausends. Des Weiteren die Vinča-Kultur in Südosteuropa (vornehmlich Serbien), ebenfalls im 6. Jahrtausend v. Chr. Neuen archäologischen Untersuchungen zufolge soll Kupferabbau und Kupferverarbeitung in dieser Region sogar bis ins 8. Jahrtausend zurückreichen. Der Archäologe und Linguist James D. Muhly meint gar: „Copper was the first, and for some period, only metal used by ancient man. The history of its use in Mesopotamia goes back at least 10.000 years. The earliest attested use of copper may be the pendant from the Šanidar Cave in northern Irak.“ (Reallexikon, Bd. 6, S. 350)

Besonders reiche Kupfervorkommen befanden sich, wie bereits erwähnt, auf Zypern, weswegen die Insel vor allem während der Bronzezeit wirtschaftlich nicht nur prosperierte, sondern gewissermaßen zum bestimmenden Umschlagplatz für Kupfer und Kupferherstellung im östlichen Mittelmeerraum wurde. Gehandelt wurde bis Ägypten und Babylonien (Babylonien besaß genauso wie Assyrien keine Kupfervorkommen), mit Ugarit (Stadtstaat im Nordwesten des heutigen Syrien), den Minoern (Kreta) oder den Hethitern. Für die späte Bronzezeit (1600 – 1050 v. Chr.) ist der mykenische Einfluss auf den Kupferhandel sehr stark. Oft wurde das Kupfererz in Siedlungen nahe der Bergwerke verhüttet und in den Städten dann weiterverarbeitet, u. a. in Verbindung mit Zinn zu der weitaus stabileren Bronze oder unter Zugabe von Zink zu Messing.

Wie in vielen der östlichen Mittelmeerreiche brach auch in Zypern ab 1100 v. Chr. der Handel zusammen und wurden die Städte verlassen. Der Archäologe Eric H. Cline hat dieses Phänomen untersucht und in seinem Buch „1177 – Der erste Untergang der Zivilisation“ als eine schleichende Folge von Klimaveränderungen, Naturkatastrophen, Kriegen und einer zu starken gegenseitigen Vernetzung (inkl. hohem Abhängigkeitspotential) der Herrschaftsgebiete beschrieben. Inwieweit die sogenannten „Seevölker“, denen man Überfälle auf den östlichen Mittelmeerinseln, in Mykene, im Hethiter- und Ugariterreich nachsagte, tatsächlich in Form von marodierenden Piraten für den wirtschaftlichen Abschwung auf Zypern beigetragen haben, ist noch immer nicht abschließend geklärt.

Da Kupfer leicht zu schmelzen war und sich leicht bearbeiten ließ, war es preisgünstig (wobei der wahre Werte archäologisch schwer zu bestimmen ist); es avancierte, da es auch für die Bronzeherstellung von entscheidender Bedeutung war, zu einer begehrten Handelsware u. a. für die Herstellung von Gebrauchsgegenständen wie Kessel, Töpfe, Hacken, Sicheln, Hammer, Äxte, Beschläge für Möbel und natürlich Waffen. Im mesopotamischen Raum sind sogar kupferne Königs- und Torwächterstatuen belegt. Zudem spielte Kupfer bei der Glasherstellung eine wichtige Rolle. Durch das Kupferoxid war es möglich, dunkle Blautöne zu erzeugen.

Poesie und Mythen

Ein sumerisches Lehrgedicht, welches der Altorientalist Wolfgang Röllig mit dem Titel „Silber und Kupfer“ (Kù et Urudu) wiedergibt, hat eine Art poetisches Streitgespräch zwischen dem Silber (edlem Metall) und dem Kupfer zum Inhalt, wobei der Übersetzer Johannes van Dijk zum Zeichen „kù“ für „métal précieux“ (edles Metall) anmerkt, dass damit nicht zwangsläufig das Silber gemeint ist; in sumerischen und akkadischen Texten können damit sowohl Silber, Gold oder Edelsteine bezeichnet werden. Beide unbelebte Protagonisten treten hier in personifizierter Form auf. (Reallexikon Bd. 6, S. 347) Die Tafel, auf welcher sich der Keilschrifttext befindet, ist teilweise zerstört. Anfang und Ende fehlen. Man ist also geradezu mittendrin, wenn das Kupfer sich verbal über das Silber stellt, da es sich selbst als viel nützlicher für die Menschen erachtet:

„Edles Metall! Durch den Staub […] werden deine Ohren verschlossen:
gehörloser Sänger im Haus der Stille! senk deine arrogante Stimme!
Edles Metall! der Palast [der Tempel] ist nicht dein Platz, an diesem Ort hast du
nichts zu suchen
in der Fäulnis, in den Gräbern, dort ist dein Platz.
Edles Metall, […] deine Aufgabe ist es, die ehrlosen Teil des Körpers zu bedecken
Edles Metall!
[…] Wie ein Gott machst du dir die Finger beim Arbeiten nicht schmutzig Warum hörst du nicht auf, wie eine Art Löwe mich anzugreifen?
Komm herein, Schlange, in das Haus der Dunkelheit, dein Heim, lege dich hin!
“ (van Dijk, SSA, S. 60, Z. 25-33)

Leider ist die „Antwort“ des Silbers nicht überliefert. Der Leser erfährt nur, dass es ob der Beschimpfungen in Wut gerät und dem Kupfer mehr oder minder seine „Weichheit“ vorhält, da bei einem aus Kupfer gefertigten Spaten recht schnell die Kanten abbrechen.

Die Weichheit spielt auch in der „Naturalis Historia“ (Naturgeschichte) von Plinius dem Älteren eine große Rolle. So betont er, die Römer hätten am Anfang nur das Kupfer gekannt (was sich vor allem auf die Münzprägung bezieht) und führt nach Angaben zur Herkunft, zum Abbau und der Verarbeitung über den „Chalcitis“ (Kupferkies) folgendes aus:

„Chalcitis heißt derjenige Stein, aus welchem man das Erz (Kupfer) selbst schmilzt. Es unterscheidet sich von der Cadmia [gemeint ist hier das Mineralgemenge Galmei] dadurch, dass er über der Erde aus zu Tage gehenden, diese aber aus tiefer liegenden Gesteinen gewonnen wird; auch zerbröckelt er leicht, ist überhaupt von Natur weich und gleichsam eine compakte Wolle. Er bildet, und dies ist ein fernerer Unterschied, drei Arten, Äs, Misy und Sory […] und hat längliche Erzadern. “ (Nat. Hist. 34, 29, 117 f.)

Dass dem Kupfer durchaus auch etwas Mythisches anhaftet, belegt der Blick zurück zur nach Zypern. Die Insel (speziell der Felsen Pétra tou Romioú) gilt auch als die Geburtsstätte der griechischen Liebesgöttin Aphrodite, die die Römer mit Venus identifizierten. Laut dem Dichter Hesiod wurde sie im Meeresschaum von Zypern als Tochter des Uranos geboren, nachdem dieser von seinem Sohn Kronos entmannt worden war und der Samen seines abgetrennten Geschlechtsteils sich mit dem Meer vermischt hatte. In den Orten Paphos und Latsi befanden sich zwei der Hauptzentren ihrer kultischen Verehrung. Das uns allen bekannte Venussymbol stand u. a. in der Alchemie als Zeichen für das Kupfer (Planetenmetall) und für die Weiblichkeit.

Eine mythische Bedeutung hat das Kupfer in Hesiods Lehrgedicht „Werke und Tage“. Dort ist u. a. von den fünf Weltzeitaltern mit den fünf Menschengeschlechtern die Rede, welche aufeinander folgen und „deren Namen [bis auf das heroische] dem Wert der Metalle Gold, Silber, Kupfer und Eisen gleichgesetzt wurden und denen bestimmte gesellschaftliche Verhältnisse entsprachen. Das dritte Geschlecht wird dabei als das eherne, bronzene oder auch kupferne bezeichnet“. (Pauly Bd. 3, S. 378)

„Vater Zeus aber schuf ein drittes, neues Geschlecht redender Menschen, ein ehernes, dem silbernen ganz ungleich, aus Eschen, wild und ungestüm; dies vollbrachten leidvolle Taten des Ares und Freveltaten, aßen auch keine Feldfrucht, sondern hatten stahlhart-trotzigen Sinn, die unförmigen. Gewaltig war ihre Kraft, unheimlich wuchsen ihre Hände aus den Schultern hervor an ihren klobigen Körpern. Aus Erz aber waren ihre Waffen, ehern auch ihre Häuser, und Erz war ihr Werkstoff. Dunkles Eisen jedoch gab es noch nicht. Auch diese, von eigenen Händen bezwungen, stiegen namenlos hinab ins modrige Haus des eisigen Hades. Der schwarze Tod raffte sie fort, so gewaltig wie sie waren.“ (Werke und Tage, S. 15. Z. 144-156)

Heilen und Zaubern

Seit der Antike gilt Kupfer als Heil- und Zaubermittel. So werden diesem (noch heute) antibakterielle, antivirale, empfängnisverhütende, pilztötende und reinigende Eigenschaften zugeschrieben.

Eine Kupfermünze, um den Hals gehängt, hilft gegen Ausschlag. Unter die Zunge gelegt, stoppt es das Nasenbluten, und Kupfergeld im Schuh wirkt gegen Rheuma. Schon Plinius der Ältere schreibt dazu in seiner Naturgeschichte: Kupferkies „wirkt kräftig gegen wildes Fleisch, stillt das Blut, heilt mit Mehl das Zahnfleisch, Zäpfchen und geschwollene Mandeln. Bei Gebärmutterleiden legt man ihn in Wolle auf. […] Man digerirt ihn mit Essig in einem irdenen mit Mist umgebenen Topf40 Tage lang, wodurch er eine safranähnliche Farbe bekommt, setzt dann ein gleiches Gewicht Cadmia [Galmei] hinzu und erhält so ein Mittel, welches Krätzearznei genannt wird.“ (Nat. Hist. 34, 29, 118 f.)

Zudem hilft Kupfer bei Augenleiden, Zahnschmerzen und eitrigen Ohren. Dennoch ist Vorsicht geboten, denn das Sory (der mehr oder weniger oxidierte Kupferkies) kann auf den Magen schlagen, „dass es bei einigen Menschen, wenn sie nur daran riechen, schon Brechen erregt“. (Nat. Hist. 34, 30, 120) Ein besonderes Anwendungsgebiet für Kupfer waren Geschwüre, wobei eine seit dem Mittelalter bekannte Praktik aus Bayern doch etwas gewöhnungsbedürftig anmutet. Demnach soll man dreimal mit einer Kupfermünze über das Geschwür streichen und es noch am selben Tag vor Sonnenaufgang rücklings auf die Straße werfen. Wer das Geldstück findet und aufhebt, bekommt dann das Geschwür. (Handwörterbuch, Bd. 5, Sp. 837).

Noch im Mittelalter herrschte die Vorstellung, Kupfer könne fremde Zauber lösen, schütze das Vieh vor Krankheiten oder sorge dafür, dass es trächtig wird. Dafür gab man Hunden, Kühen oder Schweinen Kupfermünzen zu fressen oder nagelte Münzen in die Tröge. War man sich gewiss, dass ein Unheil im heimischen Stall durch Fremdeinfluss zustande gekommen waren, galt es u. a. folgendes zu tun: „Gibt eine Kuh keine Milch, so kocht man ihren Urin in einer festverschlossenen Kupferpfanne; die Person, die das Unheil angerichtet hat, empfindet dann dieselben Schmerzen, wie wenn sie in der Pfanne säße und muß sich offenbaren.“ (Handwörterbuch, Bd. 5, Sp. 837)

Auch hellseherische Kräfte sagt man dem Kupfer nach. Durchbohrt man eine Kupfermünze und blickt durch die Öffnung, so soll man „alles in seiner wahren Gestalt schauen“ können. Man darf also gespannt sein, womit uns das Kupfer in Zukunft noch überraschen wird. Es lohnt sich, die Spurensuche weiterzuverfolgen.

Ein Beitrag von Dr. Constance Timm

Literaturhinweise:

Der Kleine Pauly. Lexikon der Antike, Bd. 3. Verlag J. B. Metzler: Stuttgart/Weimar, 2013, S. 378.

Die Naturgeschichte des Caius Plinius Secundus. Lenelotte Möller/Manuel Vogel (Hrsg.). Übersetzt von G. C. Wittstein 1881. Nachdruck. marixverlag: Wiesbaden, 2007.

Eric H. Cline: 1177. Der erste Untergang der Zivilisation. wbg: Darmstadt, 2018.

Etymologisches Wörterbuch des Deutschen. Wolfgang Pfeifer et al. (Hrsg.). München: dtv, 1995, S. 745 f.

Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens, Bd. 5. Hanns Bächthold-Stäubli/Eduard Hoffmann-Krayer (Hrsg.). Walter de Gruyter: Berlin/New York, 1987, Sp. 836-838.

Hesiod. Werke und Tage. Übersetzt und kommentiert von Otto Schönberger. Reclam: Stuttgart, 1996.

Johannes Jacobus Adrianus van Dijk. Ku et Urudu: Métal Précieux et le Cuivre. In: SSA (La sagesse Sumero-Accadienne), Brill: Leiden, 1953, S. 58-64.

Reallexikon der Assyriologie und Vorderasiatischen Archäologie, Bd. 6. Dietz-Otto Edzard (Hrsg.). Walter de Gruyter: Berlin/New York 1980-1983, S. 345-364.

https://www.spiegel.de/wissenschaft/mensch/balkan-archaeologen-raetseln-ueber-7000-jahre-alte-kupferfunde-a-734391.html

© Arbeitskreis für Vergleichende Mythologie e. V.

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