Kosmologie und Literatur I: Von Dante zur Science Fiction

Die Ornamente auf der Tapete nimmt man oft erst zur Kenntnis, wenn man krank im Bett liegt. Meist sind wir im Bild, bewegen uns mit den Protagonisten, identifizieren uns, leiden und freuen uns mit ihnen. Sobald wir jedoch in eine Krise geraten, greift diese auf das Bild über. Wir verlassen den Inhalt des Bildes mit seinen bunten Ablenkungen und beginnen uns auf den Rahmen zu konzentrieren. Was stimmt da nicht mehr? Wie verhält sich das Bild als Ganzes zum Rest der Wand oder der Welt? Dann fragen wir uns, wie Gauguin 1897 in seinem berühmten Gemälde: „Woher kommen wir? Wer sind wir? Wohin gehen wir?“ Wir geben uns nicht mehr zufrieden mit dem Leben auf der Insel, wir wollen wissen, wie diese Insel eingebettet liegt in größere Archipele, Kontinente, Galaxien – mit anderen Worten, in größeren Fragen. Neben die Frage nach dem Sinn unseres kleinen Lebens tritt die Frage nach dem Sinn allen Lebens. Sich mit Science Fiction zu beschäftigen, ist nicht die schlechteste Art, dieser Frage nachzugehen; in jedem Fall hat uns diese Form der Literatur einen Kosmos eröffnet, in dem unsere Stellung höchst befragenswert geworden ist. Sind wir allein? Wenn es einen Erlöser gab, hat er für die gesamte Galaxie gewirkt? Wo stehen wir mit unserer Evolution, über die ein amerikanischer Physiologe so treffend gesagt hat: „Der Planet Erde hat 4,5 Milliarden Jahre gebraucht, um zu entdecken, dass er 4,5 Milliarden Jahre alt ist.“ (George Wald)

Die Kosmologie fragt nach dem Ursprung des Universums, nach seiner Struktur sowie nach seiner Entwicklungsrichtung. Sie kann nicht nach dem Warum fragen, aber hofft vielleicht, dass sich eine Antwort darauf aus den erkannten Wahrheiten ergibt. Wenn ich weiß, dass alles in einem Urknall entstanden ist, so kann ich weiter fragen: Was war denn vorher, gibt es überhaupt ein Vorher? Wieso kam es zum Knall, das heißt zur Entstehung des Universums? War es denn ein Knall oder ein Wort oder eine Melodie? Ohren, die solches hätten hören können, waren noch gar nicht vorhanden. Kann solche Singularität durch eine göttliche Intelligenz geschehen oder von selbst? Können wir überhaupt etwas dazu sagen mit unserem begrenzten Verstand?

Einer der bekanntesten Holzstiche der Geschichte zeigt eine Figur in altertümlicher Gewandung, die einerseits innerhalb der irdischen Schöpfung kniet, andererseits aber ihren Kopf aus dem Rahmen des mittelalterlichen Kosmos steckt und einer Turbulenz von wirbelnden Sternen und Galaxien ansichtig wird. Das Bild entstammt einem Buch von Camille Flammarion, dem französischen Astronomen und Science Fiction-Autor des späten 19. Jahrhunderts. Es ist dem 17. Jahrhundert nachempfunden, vielleicht basiert es auch auf einem älteren Stich. In jedem Fall drückt dieses Bild eine Krise aus, die mit Neugier, Angst und Verlorenheit einhergeht. Es ist das Bild des Menschen, der sich des neuen, kopernikanischen Weltbildes bewusst wird und davon ebenso fasziniert ist, wie er daran leidet. Wir, die wir mit diesem Weltbild aufgewachsen sind, als sei es ein Schrebergarten, können uns kaum noch in eine solche Stimmung versetzen. Gelegentlich geht es uns vielleicht wie Pascal, den vor den Abgründen des leeren Himmels schauderte, aber ansonsten sind wir ziemlich abgestumpft. Da mag Literatur helfen, die wie keine andere menschliche Errungenschaft die mentalen Zustände zeigt, in denen Menschen sich im Laufe der Jahrhunderte politisch oder eben kosmologisch verfingen.

Aber wie kann man Kosmologie verstehen? Gehen wir auf die ursprüngliche Bedeutung des gr. kosmos zurück, so ist der Sinn gar nicht so verschieden von der Tapete mit den Ornamenten. Kosmos heißt zunächst Schmuck oder Anordnung und ist daher mit Kosmetik verwandt. Später wird Kosmos die abstrakte Ordnung, das aufgeräumte All sozusagen, im Gegensatz zum ungestaltigen Chaos (dem wir im Übrigen das Wort Gas verdanken). Der erste, der den Begriff in dieser Art verwendet haben soll, ist Pythagoras. Während das irdische Geschehen unberechenbar bleibt, hat der Himmel eine gewisse Berechenbarkeit. Seine gleichmäßigen Bewegungen machen ihn für die frühen Völker zur ersten Uhr; man trägt sie nicht am Arm, sondern über dem Kopf. Vielleicht war die Himmelsscheibe von Nebra die erste tragbare Uhr überhaupt, da sie den Himmel auf die Erde herunterholte. Astronomie und Astrologie ergänzen und vermischen sich in allen Hochkulturen.

Die Griechen dürften als erste eine Trennung vorgenommen haben und sich dem sinnlich und mathematisch beschreibbaren Universum zugewendet haben. Kosmologie ist über die letzten Jahrtausende jedoch vor allem von den Religionen getragen worden, denn sie wussten oft als einzige die Antwort auf das Woher, Wer und Wohin, ja sogar auf das Warum. Doch das Problem vieler Religionen ist, dass sie den subjektiven Faktor verdinglicht haben. Visionen Einzelner gerinnen zu Dogmen und Abrichtungsritualen, sie definieren Gruppenzugehörigkeit und setzen somit ihrer Wahrheitssuche selbst eine Grenze. Damit können Künstler aber sowenig zufrieden sein wie Wissenschaftler. Daher entstanden im Laufe der religiös dominierten Jahrhunderte europäischer Geschichte immer wieder abweichende religiöse Weltbilder, die von der Kirche jeweils als ketzerisch verfolgt oder abgetan wurden. Während sich jedoch auch häretische Sekten und Kirchenspaltungen zu neuen Dogmen verhärten, sucht die Kunst einen Weg aus diesem Dilemma, indem sie das lebendige Individuum in die Mitte setzt. Zudem weiß sie, dass sie, bis auf seltene Fälle, keine richtungsgebende Kraft hat.

Meine Vermutung ist, dass kosmologische Fragen in der Literatur immer dann in den Vordergrund treten, wenn sich Krisen in Weltanschauungsfragen auftun, die ihrerseits auf reale Ereignisse wie Pest, Hungersnöte, Vulkanausbrüche oder Kriege zurückgehen.

Dantes Komödie, die erst später (angeblich von Boccaccio) die Göttliche genannt wurde, ist einerseits die Kulmination des mittelalterlichen Weltbildes, andererseits einer phantastischen Fusion von griechisch-römischer Antike mit christlicher Lehre. Darin mag man einen Triumph sehen, doch ist der Blick auf die Kosmologie als Rahmen ein Hinweis darauf, dass eben diese Fusion unter Druck zu geraten begann. Allein die Tatsache, dass die Hälfte aller Prominenten der damals bekannten Welt in der Hölle untergebracht wurden – ganz zu schweigen von Dantes Zeitgenossen – zeigt, dass etwas nicht stimmte. Viele der Höllenbewohner sind Glaubensspalter oder Ketzer, wie etwa Mohammed. Hinzu kommen Kirchenväter, Bischöfe und Päpste, die sich der Simonie oder der Wollust oder anderer Sünden schuldig gemacht hatten – in dieser Hinsicht formulierte Dante schon um 1300 eine frühprotestantische Kritik. Es brodelte in der Kirche wie in der Politik. Dante musste aus Florenz fliehen, weil er zu den Kaisertreuen gehörte, die mit den Papstanhängern in Konflikt waren. Die Unordnung auf der Erde war so gehörig, dass nur ein Blick an den Himmel, auf das Ewige Licht, die rettende Beatrice helfen konnte. Renaissance und Protestantismus stehen vor der Tür, ein neues Menschenbild deutet sich an.

Dante kann man auch als Wissenschaftler verstehen, der die astronomisch-kosmologischen Kenntnisse seiner Zeit und der Antike literarisch umsetzt. Gleichnishaft ist der Aufbau seiner Welt, doch zugleich auch physisch erfahrbar, so wie die Sünden geistig sind in ihrem Ursprung, aber körperlich in der Hölle ausgebadet werden müssen. Dante geht gleichsam, in der Mitte seines Lebens, in eine Lebenskrise hinein, die ihm das Tor zu den unsichtbaren Welten, den Mikro- und den Makrokosmos eröffnet. Sein Führer ist der große Dichter Vergil, der, kurz vor der Ankunft Christi lebend, nicht getauft ist und deshalb nur bis an den Rand des Paradieses geleiten darf.

Man könnte Dantes Reise in die spirituellen Welten als den Besuch eines Laboratoriums bezeichnen, in dem Gott die Menschenseelen durcharbeitet und wie ein Alchemist aus ihnen Gold machen will. Doch sie widerstreben, zumeist. Der Laborant Vergil führt ihn an gefährlichen Apparaturen vorbei, an giftigen Abfalleimern und strahlenden Substanzen, die sich im ersten Raum befinden. Im zweiten liegen die gereinigten, aber noch nicht ganz geläuterten Substanzen, während der dritte Raum nur noch aus Leuchtstoff besteht. Gerade im ersten Raum, der Hölle, ist der Reiseführer unabdingbar. Die Hölle besteht aus neun Kreisen und weiteren Unterkreisen. Ihr Eingang liegt unter der Stadt Jerusalem und ihr Bau bohrt sich kegelförmig in die Tiefe bis zum Mittelpunkt der Erde. Andere vermuten den Eingang auf den Phlegäischen Feldern bei Neapel, wo es bis heute heftig nach Feuer und Schwefel stinkt.

Festzuhalten ist: in der Mitte des Kosmos ist die Erde und in der Mitte der Erde ist die Hölle – ein geradezu höllozentrisches Weltbild. Woraus erhellt: im Mittelalter wusste man sehr wohl, dass die Erde keine Scheibe ist. Wenn der Sünder vor dem Höllentor steht, so erfahren wir später, wird seine Schuld gewogen und eingeschätzt von Minos. Der schlägt mit seinem riesigen Schwanz auf eine Stelle und entscheidet damit, in welchen Kreis der Hölle man gehen muss. Im ersten Kreis der Hölle befinden sich die unschuldigerweise nicht Getauften – wie etwa Vergil, sowie andere von Dante bewunderte Dichter und Denker der Antike – von Homer bis Aristoteles. Selbst der gefürchtete, aber doch edle Eroberer Jerusalems zur Zeit der Kreuzzüge, Sultan Saladin befindet sich hier. Es folgen Kreise für die Wollüstigen (Kleopatra, Helena, Paris), die ein Sturm hin- und herwirft (der Sturm der Leidenschaften), für die Gefräßigen, die ein eisiger Regen plagt, für die Verschwender und Geizhälse, die endlos Lasten wälzen müssen. Im fünften Kreis sitzen die Zornigen und kämpfen fortwährend miteinander, immer in Gefahr, vom Sumpf verschluckt zu werden. Im sechsten Kreis sitzen die Ketzer in flammenden Särgen. Es folgen die Gewalttäter (Alexander der Große, Attila), die im Blut kochen, die Selbstmörder, die an Sträuchern wachsen, welche von den Harpyen immer aufs neue zerfetzt werden, die Blasphemiker, Sodomiten, Wucherer – auf sie rieseln feurige Flocken hernieder. Im achten Kreis trifft Dante auf die Kuppler und Verführer, die von den Teufeln gepeitscht werden, auf die Schmeichler und die Huren, korrupte Päpste, Zauberer, Wahrsager (deren Köpfe nach hinten verdreht sind) sowie auf Heuchler, die mit schweren, aber vergoldeten Bleimänteln gehen. Die Diebe sind hier ebenfalls versammelt wie auch die Hinterlistigen, deren Oberhaupt Odysseus ist. Hier ist auch der Kreis der Glaubensspalter und Ketzer, denen immerfort ihre Glieder abgehackt werden. Und nicht zuletzt wohnen hier die Alchemisten und Fälscher, die an ekelhaften Krankheiten leiden. Der neunte Kreis ist den Verrätern vorbehalten, allen voran Judas, dann Brutus und Cassius. Doch in der Mitte, im Eis, sitzt der oberste aller Verräter: Luzifer.

Und nun wird wieder deutlich, wie merkwürdig Dantes Kosmologie Wissenschaft und Erzählung mischt: am zotteligen Fell Luzifers klettern Dante und Vergil – es könnte aus einem Kinderabenteuer stammen oder aus Jules Verne – zum Erdmittelpunkt, um schließlich auf der anderen Seite der Erde den Läuterungsberg, das Purgatorium, zu erreichen. Der befindet sich gegenüber von Jerusalem in einem unbekannten Meer – heute wissen wir, er liegt auf 32° südlicher Breite und 145° westlicher Länge, das heißt im Pazifischen Ozean, irgendwo zwischen Tahiti und der Osterinsel. Der Berg ragt mit sieben Terrassen und zwei Vorstufen zum Himmel empor und der Weg führt ins Paradies, wo Beatrice die führende Rolle von Vergil übernimmt. Läuterungsberg und Paradies haben die Leser weniger fasziniert als der Horror in der Hölle, der einen physisch und psychisch stärker angeht. Die milderen Qualen des Läuterungsberges, der unter anderem Hochmütige und Neider, Träge und Verschwender aufnimmt, lassen Schauder und Schadenfreude außen vor; die Tugend neigt zur körperlosen Abstraktion. Für Dante hört die Welt aber nicht mit dem Paradies auf. Über diesem erstrecken sich die neun Himmelssphären, die von den Engeln erfüllt sind, bis hin zu Gott selbst.

Am Ende wird Dante von einem Blitz der Erkenntnis getroffen: „che la mia mente fu percossa da un fulgore.“ Daraufhin fühlt er sich durch die umfassende Liebe beschwingt, die Liebe, die „die Sonne und die anderen Sterne“ bewegt, „l’amor che move il sole e l’altre stelle.“ Dantes großer Gesang endet mit dem Wort „Sterne“, so wie zuvor beide vorangehenden Teile geendet hatten. Der Blick zu den Sternen ist konstitutiv für diese Vision des Ewigen Lichtes. Das Universum muss mitgesehen werden, sonst ist die Perspektive zu irdisch-verblendet. Zudem ist alles durch Korrespondenzen verbunden – ob in der astrologisch-antiken oder christlichen Sicht. Körper, Krankheiten, Schicksale, Lebensläufe, Sünden und Tugenden sind klar definiert von der Nähe oder Ferne zur Liebe, zum Ewigen Licht, während die himmlischen Sphären in alter Harmonie umeinander kreisen. Insofern ist für Dante die Kosmologie ein entscheidender Parameter für ein richtiges Leben. Noch einmal richtet sich das abendländische Bewusstsein an der Sternenwelt aus, doch die großen Krisen stehen ins Haus.

Dantes Weltbild hat die Literatur bis heute beflügelt. Gerade der Modernismus, der selbst eine Antwort auf weltanschauliche und ästhetische Krisen war, hat sich Dante wieder angenähert. Die Amerikaner T.S. Eliot und Ezra Pound, aber auch die britische Kriminalautorin Dorothy Sayers oder  die Lyriker Ossip Mandelstam und Seamus Heaney gehören zu den Verehrern und über ihre Gründe müsste man gesondert nachdenken. Doch auch die Wissenschaft war früh von Dante fasziniert. Zu denken wäre an den Versuch Galileis, die Masse der Hölle zu berechnen, und er war keineswegs der einzige. Bis heute suchen Forscher nach dem genauen Ort der Hölle. Das ist amüsant und reizvoll, hat aber wenig mit dem Kern der Danteschen Botschaft zu tun.

Ernstzunehmender ist ein anderer Versuch, die Aktualität Dantes nachzuweisen. Ich meine das Buch des Astrophysikers Bruno Binggeli: Primum Mobile. Dantes Jenseitsreise und die moderne Kosmologie. Binggeli rechnet um: Was wir Makrokosmos und Mikrokosmos nennen, d.h. alles, was jenseits menschlicher Sinneserfahrung liegt und was wir nur vermittelt darstellen können über Graphen oder computerisierte Visualisierung bildet unser heutiges Jenseits ab. Der mittlere Bereich, auf den wir mit unseren Sinnen abgestimmt sind, zum Beispiel im Farbspektrum, ist der von uns bewohnte Mesokosmos, in dem Quantenphysik und Relativität nur minimal und kaum erkennbar eine Rolle spielen. Anders dagegen in den außerdurchschnittlichen Welten des Mikro- und Makrokosmos. Binggeli begreift daher „Physik und Astronomie als moderne Jenseitsforschung“ (22).  Spannend und manchmal atemberaubend sind seine Parallelisierungen dieser modernen Jenseitsforschung mit derjenigen Dantes. Demnach ist erst die moderne Kosmologie, die von einem Urknall ausgeht, in der Lage, Dantes Komödie zu verstehen.

Der Big Bang ist bei Dante das primum mobile, das Erste Bewegende, das die Sphären in Bewegung hält. Mit unserer Technik, den neuesten Observatorien und dem Hubble Teleskop sind wir in der Lage, immer weiter zurück in die Vergangenheit zu schauen und sind bis an den Rand der Singularität namens Urknall vorgestoßen. Immer mehr wissen wir auch über die Vorgänge in den ersten Sekundenbruchteilen nach dem Urknall. All dies führt Binggeli zu verwegenen Schlussfolgerungen. So wie Dante (mit Hilfe von Beatrice) das Licht beschreibt, das in die Welt dringt, so können wir uns den Urknall als Quelle eben des Lichtes im Universum vorstellen. Die Sphären der Engel, die sich zwischen der göttlichen und planetarischen Welt erstrecken, wären vergleichbar mit der sogenannten Phasenumwandlung der kosmischen Grundlagen nach der ersten Millionstelsekunde. Es ist die Zeit, in der seltsame Eigenschaften entstehen, ohne die unser Universum nicht zu denken wäre. Sie tragen die Namen von Elementarteilchen wie Leptonen, Photonen, Quarks oder Gluonen oder sind Anti-Teilchen. Erst danach entsteht die Welt der Protonen und Neutronen. Im Big Bang kombinieren sich Mikro- und Makrokosmos: die kleinsten Teilchen bauen sich zu einer Welt auf, die letztlich unser Universum sein wird, nach dem alchemistischen Kennwort des Hermes Trismegistos: „Wie oben, so unten.“

Dante beobachtet, dass die Engel immer schneller tanzen, je näher sie dem göttlichen Licht stehen. Binggeli sieht daher eine enge Verbindung zwischen der Teilchenwelt der kosmischen Frühzeit und der Hierarchie der Engel in der Nähe Gottes, des Ersten Bewegenden (Binggeli 316). Luzifers Fall in die Erde kennzeichnet die Folgen aus der Entstehung der vier Grundkräfte des Universums, zu denen die Schwerkraft gehört. Die Hölle kann als schwarzes Loch oder dunkle Materie erscheinen. Nur ist bei Dante alles Physikalische eben allegorisch gedacht.

Die geistige Hierarchie, welche Dante nach seiner Beschreibung des 28. Paradiesgesangs der Komödie im Kristallhimmel erschaut: eine Art gestaffelte Wirkkraft, die unmittelbar aus der transzendenten Ganzheit und Einheit ausfließt und die Welt in Gang hält – sie ist im Grund genau dasselbe, wonach die Teilchenphysiker Ausschau halten, wenn sie […] den Zustand der kosmischen Frühzeit im Labor zu simulieren versuchen. (Binggeli 317)

Mögen die Astrophysiker diesen Vergleich überprüfen, aber nicht ohne den Rat von Theologen und Literaturwissenschaftlern! Bei Dante ergäbe sich in jedem Fall eine produktive Begegnung zwischen den Fakultäten.

Galileis Ausmessung der Danteschen Hölle war Symptom eines neuen Weltbildes, in dem die Zahl zu dominieren beginnt. Der Mathematiker war sozusagen ein früher McKinsey, dem es eher um die räumliche Effizienz der Hölle als um deren religiös-moralische Funktion geht. Die Wissenschaft kündet sich an allen Fronten an, räumt auf mit staubigen Konzepten oder gießt die Welt um in Statistik. Für die Kosmologie bedeutet dies auf der einen Seite klare Verwissenschaftlichung. Kein Konzept des Kosmos konnte noch Gültigkeit beanspruchen, wenn es sich nicht in irgendeiner Weise auf wissenschaftliche Hypothesen oder gesicherte Erkenntnis bezog. Auch kirchliche Vorstellungen unterlagen dem aufklärerischen Impuls. Man erinnert sich daran, dass Galilei durchaus seine kopernikanische Wende hätte vertreten können, wenn er sie als Hypothese formuliert hätte, nicht als Ausdruck von wirklichen Gesetzen. In dieser Hinsicht muss man einigen Theologen seiner Zeit ein geradezu wissenschaftliches Denken attestieren, auch wenn dies letztlich eine Ausflucht war.

Dennoch kann man eine Spaltung beobachten. Nicht allein die Wissenschaft wird jetzt das Rennen machen, sondern religiöse und weltanschauliche Systeme werden (anstelle des Christentums) in Konkurrenz zur Wissenschaft treten, Privatmythologien werden sich ausbreiten und wissenschaftsmüde Menschen erreichen. Über diese Spaltung wäre hier nachzudenken.

Milton und Donne sehen sich konfrontiert mit der Neuen Philosophie, die Kepler und Galilei in die Welt gesetzt haben. Eine Antwort haben sie nicht, sie schwanken zwischen alten und neuen Weltbildern. Die Tatsache, dass die neuen Tiefen des Raumes erschreckend sind – auch Blaise Pascal sollte es zu dieser Zeit über den Abgründen des Universums schwindlig werden –, spricht aber den Wahrheitssinn und vor allem die imaginative Kraft der Dichter an. In der Aufklärung wird der Weltraum zum Spekulationsobjekt für technische Ideen und, dank der immer besseren Teleskope, für kosmologische Theorien über den Ursprung und die Ausdehnung des Weltalls.  Solche wissenschaftliche Kosmologie führte schließlich zur Science Fiction. Einer ihrer ersten Vertreter, Edgar Allan Poe, setzte sich in seinem großen Essay „Eureka“ intensiv mit neuesten kosmologischen Theorien auseinander.  Kritiker sind sich bis heute nicht einig, ob es sich bei diesem Werk, das aus einem Vortrag im Jahr vor seinem Tod (1849) entstanden ist, um eine tiefgründige Kosmologie, ein theologisches Prosagedicht oder eine wissenschaftliche Satire handelt. Von Anfang an wurde es für absurd befunden, später haben Paul Valéry, Einstein und Eddington ihn rehabilitiert. Poe scheint die Vorstellung des Big Bang vorwegzunehmen, wenn er von der Entstehung des Universums aus einem einzigen Partikel spricht: „In der ursprünglichen Einheitlichkeit des Ersten Dinges, liegt beschlossen die Ursache aller sekundären Dinge, sowie der Keim zu deren unvermeidlichen Aufhebung.“ (Poe 897)

Dieses Partikel wurde durch den Willen Gottes in Bewegung gesetzt und seither pulsiert das Weltall mal sich ausdehnend, mal kollabierend: „eine schattenhaft und pulsierende Herrschaftssphäre, nun schrumpfend, nun anschwellend, ganz in Gemäßheit der Energieschwankungen unserer Imagination.“ (Poe 921) Der Kosmos ist nichts anderes als – das Herz. Unwillkürlich ist man an Poes Horrorgeschichte erinnert, in der das Herz eines Toten laut unter dem Fußboden pocht, während die Polizei die Wohnung des Mörders durchsucht – zumindest glaubt der Erzähler es zu hören („The Tell-Tale Heart“, Das verräterische Herz).  Imagination und Realität werden eins, so wie Poe in seinem Essay die Trennung zwischen Geist und Materie aufhebt. In manchen Bereichen ist Poe auf der Höhe der Wissenschaften seiner Zeit, so als er eine Erklärung dafür bringt, warum der Himmel nachts dunkel ist und nicht leuchtend hell, wie er es aufgrund der zahllosen Sterne eigentlich sein sollte. Auch die Idee, dass Raum und zeitliche Dauer identisch sind, lassen Poes Essays modern anmuten.

Man hat in der Tat Bezüge dieses Essays zu seinen Kurzgeschichten und deren Theorie gesehen. Wenn er in „Eureka“ sagt, das Universum sei ein Plot Gottes und als solcher perfekt, dann sehen wir hier den Autor von spannenden Erzählungen, in denen jeder Effekt sitzt und die eine gewisse Länge nicht überschreiten dürfen. Einstein hatte ähnliche Vorstellungen, als er sagte, Gott würfele nicht. Poe stellte fest: „Große Geister raten gut.“

Er selbst hielt den Essay jedenfalls für sein Hauptwerk und sah sich nach diesem Wurf als völlig erschöpft an. Gewidmet hat er „Eureka“ einem Anderen, der wissenschaftliches Genie mit literarischem Talent verband: Alexander von Humboldt. Mit diesem teilte der Amerikaner die Suche nach der Einheit in der Vielfalt des Kosmos. Poes Zeitgenossen mögen den Essay vielleicht nicht verstanden haben, sein Verleger versprach sich nichts davon. Aber ein Zeitgenosse, der den Vortrag hörte, schreibt:

Sein Vortrag war eine Rhapsodie von höchster Brillanz. […] Sein Rock war über der schmalen Brust fest zugeknöpft; seine Augen schienen zu leuchten wie die seines eigenen Raben, und zwei und eine halbe Stunde lang hielt er uns in Trance. (Poe 1153)

Solche kosmologischen Aufschwünge, die letztlich metaphysisch inspiriert sind, wird man bei Jules Verne nicht finden. Er pflegte zwar astronomische und geographische Fachliteratur zu lesen, bevor er seine Helden auf die Mondfahrt gehen oder in das Innere der Erde vordringen ließ. In seinen beiden Mondbüchern zeigt er sich auf der Höhe der Diskussion seiner Zeit über das Sonnensystem und insbesondere den Mond. Er versteigt sich jedoch nicht wie Poe zu einer umfassenden Kosmologie. Hierin ist er also konservativ, meist hält er sich im Erdraum oder eben zwischen Erde und Mond auf. Natürlich spielen immer wieder Erdgeschichte und kosmische Phänomene eine Rolle bei Jules Verne, so in Der grüne Strahl, Die Jagd auf den Meteor oder Reise zum Mittelpunkt der Erde. Seine einzige Erzählung, die durch das Sonnensystem führt, ist Hector Servadac (Die Reise durch die Sonnenwelt, 1877) – eher eine Burleske, die keine wissenschaftlichen Ansprüche stellt, im Gegensatz zu seinen anderen Werken.

Vernes englischer Mit- und Gegenspieler in der Science Fiction H.G. Wells – vor dem Verne übrigens wenig Respekt hatte – hatte selbst eine wissenschaftliche Universitätsbildung in der Biologie vorzuweisen. Immerhin hatte er bei einem Schüler Darwins studiert, T. H. Huxley, der auch „Darwins Bulldogge“ genannt wurde. Als er nach einem Unfall bettlägerig wurde und die Literatur wieder entdeckte, verbanden sich mit der Zeit imaginative Impulse mit biologischen Kenntnissen. So dehnte er den Zeithorizont aus und stellte sich in Erzählungen und Essays einerseits den Urmenschen vor, andererseits verlängerte er die Evolution in die Zukunft. In seinem berühmtesten Werk The Time Machine (1895) besucht der Zeitreisende das Jahr 802 701, das schon durch seine Ziffernfolge auf Niedergang verweist. Dort begegnet der viktorianische Reisende einer gespaltenen Menschheit – den Eloi, die im Sonnenlicht spielen und den Morlocks, die unter der Erde die Arbeit verrichten, aber leider auch die lästige Angewohnheit haben, die Eloi zu verspeisen. Doch die Reise führt ihn am Ende noch weiter – bis zum Tod der Sonne und der Erde. Damit reagierte Wells auf Ängste in der viktorianischen Zeit, die sich sowohl aus sozialen Unruhen als auch aus Theorien über das baldige Verlöschen der Sonne ergaben.

Wells hatte jedoch einen Jünger, der weiter in Zeit und Raum vorstieß, als jeder andere SF-Autor. Ich meine den britischen Pazifisten und Lehrer Olaf Stapledon (186-1950), der auch Philosoph und Sozialist war. Als 1930 sein erster großer Science Fiction-Roman Last and First Men erschien, sagte Wells: „Alle werden glauben, das Buch sei von mir beeinflusst. Ich wollte, es wäre so.“ Stapledon zogen neue Formen der Intelligenz an, seien sie nun menschlich, irdisch oder außerirdisch. In Odd John geht es um das Leben eines savant, eines außergewöhnlich klugen Jungen, in Sirius um einen intelligenten Hund und ein Mädchen, die miteinander telepathisch verbunden sind. In „The Flames“ sind selbst die Flammen eines Feuers Träger einer unbekannten, hochintelligenten Zivilisation, die die Erde auffressen wird (nachdem der Erzähler unter ihrem Einfluss sein Haus in Brand gesteckt hat). In mancher Hinsicht erinnert Stapledons Thematik an Philip K. Dicks Romane und Erzählungen. Was ihn jedoch von vielen anderen abhebt, sind seine zwei kosmologischen Hauptwerke Last and First Men (1930) und Star Maker (1937). In ersterem beschreibt er einen Zeitraum von zwei Milliarden Jahren und die darin aufblühenden und zerfallenden Menschengattungen. Nachdem ein Weltstaat eingetreten ist, entsteht die sogenannte Patagonische Zivilisation, die aber von einer nuklearen Explosion zerstört wird. Nur 35 Menschen überleben am Nordpol und bilden die Zweite Menschheit. Der Egoismus ist abgeschafft, aber man führt Krieg mit Mars und löscht die dortige Zivilisation aus. Dennoch welkt die Zweite Menschheit dahin.  Die nächste Menschengattung ist viel kleiner. Die Menschen sind nun aus sexuellen Gründen stolz auf ihre Ohren. Ihre Hände haben sie mit Stahlantennen ausgerüstet. Vor allem interessieren sie sich für Musik und lebende Organismen. Die Dritte Menschheit konstruiert Riesenhirne, wird aber der Vierten zum Versuchskaninchen. Eine künstlich erbaute Gattung besiegt die Vierte Menschheit und mit der Fünften entsteht eine gigantische Technologie, mit der die Venus erobert wird. Nach einem Massengenozid dort verliert die Fünfte ihre Macht. Und so geht es weiter, auf und ab. Von der Zehnten Gattung an werden die Wesen immer weniger den Menschen ähnlich, sie entwickeln eine Gruppenidentität und werden zu Schwärmen. In der Achtzehnten Menschheit treten Philosophen und Künstler hervor. Es gibt neue Formen der Geschlechtlichkeit. Schwärme schließen sich telepathisch zusammen und die Unsterblichkeit ist erreicht, jedenfalls solange man keine Unfälle oder Gewalt erleidet. Inzwischen wird ein ritueller Kannibalismus praktiziert. Als eine Supernova auf der Sonne aufschlägt, verbrennen ihre Vertreter auf Neptun. Aber zuvor haben sie Viren ins All verschossen, so dass das Leben weitergehen wird.

Zwei Milliarden Jahre und 18 Menschheiten – das ist keine schlechte Leistung für die Phantasie eines Lehrers in den Dreißiger Jahren. Aber sieben Jahre später setzte Stapledon noch eins drauf und publizierte Star Maker. Der SF-Autor und Verfasser einer Geschichte der Science Fiction, Brian Aldiss, hat seine Ehrfurcht vor diesem Werk so bekundet: „Star Maker ist wirklich das eine große, graue, heilige Buch der Science Fiction … so großartig, dass es kaum zu ertragen ist.“ Die Geschichte beginnt sehr lokal und britisch auf einem Hügel mit Blick auf eine Stadt. Der Erzähler sieht die nächtliche Stadt und die Sterne und wird mit einem Mal aus seinem Körper hinauskatapultiert. Er begibt sich so, fast wie in einer Nahtoderfahrung, auf eine kosmische Reise und wird selbst Teil der kosmischen Geschichte, in der galaktische Schwärme unterwegs sind, sich bekriegen, sich lieben und neue Wesen hervorbringen. Die zuvor lang ausgebreitete Geschichte der 18 Menschheiten nimmt in diesem Buch nur noch einen Absatz ein; es ist wie ein Augenblinzeln. „Das Universum erschien mir wie eine Leere, in der vereinzelte Schneeflocken schwebten. (Stapledon 14) Der Höhepunkt ist die Begegnung mit dem Sternenmacher. Wir treten in ein Lichtereignis ein, das an Dante erinnert:

Denn nun geschah es, dass ich plötzlich das dreidimensionale Sehvermögen aller Kreaturen ablegte und wohl den Sternenschöpfer von Angesicht zu Angesicht schaute. Ich sah, wenn auch irgendwo im kosmischen Raum, den flammenden Ursprung des hyperkosmischen Lichts wie einen überwältigenden Lichtpunkt, einen Stern, eine Sonne, die mächtiger war als alle Sonnen zusammen. Es schien mir, als wäre dieser strahlende Stern das Zentrum einer vierdimensionalen Kugel, deren gekurvte gebogene Oberfläche den dreidimensionalen Kosmos bildete. Dieser Stern aller Sterne, dieser Stern, der in der Tat der Sternenschöpfer war, wurde von mir, seinem kosmischen Geschöpf, einen Augenblick lang wahrgenommen, ehe sein Glanz meine Augen blendete. Und in diesem Augenblick wusste ich, dass ich wirklich den Ursprung alles kosmischen Lichtes und Lebens und Geistes geschaut hatte. (Stapledon 288f.)

Es ist aber auch eine Selbstbegegnung des Menschen als Künstler mit der göttlichen Intelligenz, die auch nichts anderes macht als künstlerisch zu gestalten, zu zerstören und aufzubauen, zu experimentieren wie mit Texten oder Bausteinen, mit Klängen oder Worten. So gibt es neben unserem und anderen Universen auch einen Kosmos, der nur aus Musik besteht.

Stapledon war einer der ersten, der Modelle für Schwarmintelligenz entworfen hat, aber er war auch ein Erfinder von virtuellen Realitäten. Ganze Welten können als Raumschiffe dienen, es gibt Maschinen, die nicht mehr den Umweg über die menschliche Motorik brauchen, sondern direkt auf das Gehirn eingestellt sind. Mag sein, dass Stapledon keine spannenden Thriller auftischt, aber im Grund erzählt er die spannendste Geschichte überhaupt: die Begegnung des Menschen mit dem Kosmos, die eine Begegnung des Menschen mit seinem Innersten ist, und welche Folgen diese haben wird. Arthur C. Clarke bewunderte ihn ebenso wie Doris Lessing. Jorge Luis Borges zählte das Werk zu seiner persönlichen Bibliothek:

In einer Studie über Poes Eureka  hat Valéry bemerkt, die Kosmogonie sei die älteste Literaturgattung. […] Bekanntlich befasste Poe sich getrennt mit beiden [Fabel und Phantasie wissenschaftlichen Charakters]und erfand vielleicht die letztere: Olaf Stapledon kombiniert sie in diesem einzigartigen Buch. Für diese imaginäre Erforschung von Zeit und Raum greift er nicht zu vagen, kaum überzeugenden Maschinen, sondern zur Verschmelzung eines menschlichen Geists mit anderen, einer Art hellsichtiger Ekstase […] (Borges 192)

Stapledons Phantasie ist immer von Wissenschaft und deren Extrapolationen beflügelt, auch wenn sein Weltbild letztlich gar nicht so weit von dem biblischen entfernt ist. Denn auch sein Sternenmacher sagt: „Es werde Licht.“

Ein Beitrag von Prof. Elmar Schenkel

Literaturhinweise:

Binggeli, Bruno. Primum Mobile. Dantes Jenseitsreise und die moderne Kosmologie. Zürich: Ammann 2006.

Borges, Jorge Luis. Persönliche Bibliothek. Frankfurt/M.: S. Fischer 1995.

Dante Alighieri. La Commedia. Die Göttliche Komödie. In drei Bänden. Übersetzt und kommentiert von Hartmut Köhler. Stuttgart: Reclam 2010-12.

Harder, Finn. „Zwei Schriftsteller durchqueren den Weltraum. Douglas Adams und Olaf Stapledon”. In E. Schenkel, Kati Voigt, Hgg. Sonne, Mond und Ferne. Der Weltraum in Philosophie, Politik und Literatur. Bern/Frankfurt/M.: Peter Lang 2013. 141-156.

Le Blanc, Thomas und Johannes Rüster, Hgg. Glaubenswelten. Götter in Science Fiction und Fantasy. Wetzlar: Phantastische Bibliothek 2005.

Poe, Edgar Allan. Das gesamte Werk in 10 Bänden. Band 5: Kosmos und Eschatologie. Herrschin: Pawlak 1980.

Stapledon, Olaf. Last and First Men. London: Methuen 1930.

—. Starmaker. Harmondsworth: Penguin 1988. Dt:. Der Sternenschöpfer. München: Heyne, 1982.

© S. Fischer Verlag, mit freundlicher Genehmigung.

Der Text ist erschienen in: Elmar Schenkel. Keplers Dämon. Wechselbeziehungen zwischen Literatur, Traum und Wissenschaft, Frankfurt/M.: S. Fischer 2016

4 Antworten auf „Kosmologie und Literatur I: Von Dante zur Science Fiction“

  1. KOSMOLOGIE MIT ETWAS POESIE

    Sterne entstehen und vergehen,
    das ist im All Normalgeschehen.
    Die Sterne in des Kosmos Weiten
    sind Lebensquell zu allen Zeiten.

    Wir alle kommen von den Sternen,
    wo die Elemente geboren.
    Kein Atom in des Weltalls Fernen
    geht im großen Kreislauf verloren.

    Am Anfang war der Urknall,
    um uns herum der Nachhall.
    Das Weltall in Expansion
    Milliarden Jahre nun schon.

    Es sind dabei die Galaxien
    einander rasant zu entflieh’n.
    Da ist keine Wende in Sicht,
    irgendwann geht aus das Licht.

    Dunkle Materie ist rätselhaft,
    dunkle Energie nicht minder.
    Das Wissen ist noch lückenhaft,
    man kommt nicht recht dahinter.

    Es braucht wohl wieder ein Genie,
    gar eine neue Theorie.
    Des Universums Architektur –
    Was ist der Sinn von allem nur?

    Uns’re Galaxie ist eine von Milliarden,
    ein Spiralsystem, keine Besonderheit.
    Die Erde hatte die besten Karten,
    hier fand das Leben Geborgenheit.

    Aus toter Materie ging es hervor,
    strebte hin zu höchster Komplexität.
    Die Evolution wirkt als ein Motor,
    der einfach niemals ins Stocken gerät.

    Zahllose Arten entsteh’n und vergeh’n,
    bevor der Mensch betritt die Szenerie.
    Auch dessen Ende ist vorherzuseh’n,
    das ist die kosmische Dramaturgie.

    Er sollte auf Erden nutzen die Zeit,
    zum Siege verhelfen der Menschlichkeit;
    die Umwelt schützen, Kriege beenden,
    das Anthropozän zum Guten wenden.

    Ökonomie und Ökologie im Verein,
    der blaue Planet wird uns dankbar sein.
    Blickt mit Zuversicht in die Welt hinaus,
    das Leben ist wunderbar, macht was draus.
    Lasset nicht erschlaffen Geist und Hände,
    viel Zeit zu ruhen bleibt nach dem Ende.

    GOTTESFRAGEN

    Wer ist Gott*in, und wenn ja, wie viele?
    Welche Religion führt zum Ziele?
    Gott im Himmel oder im Hirn?
    Da glüht so manche Denkerstirn.

    Wir lesen Bibel und Koran,
    die Veden und Zarathustra.
    Was ist der große Weltenplan?
    Gott oder Mensch, wer war zuerst da?

    Gott ist in uns, in jeglichem Getier,
    in toter Materie und sprießender Flur,
    in allem, was am Himmel sehen wir ,
    in des Universums Architektur.

    DER MENSCH IM ANTHROPOZÄN

    Der Mensch macht sich die Erde Untertan,
    getrieben vom ewigen Wachstumswahn.
    Autos werden größer, Straßen breiter,
    die Wälder dagegen schrumpfen weiter.

    Es ist höchste Zeit für uns, zu handeln,
    endlich uns’ren Lebensstil zu wandeln.
    Was nützt uns Wohlstand und alles Geld,
    wenn am Ende kollabiert die Welt?

    Man produziert und produziert,
    plündert Ressourcen ungeniert.
    Gewinnmaximierung ist Pflicht,
    die intakte Natur zählt nicht.
    Börsenkurse steh’n im Fokus,
    Umweltschutz in den Lokus.

    Plastikflut und Wegwerftrend,
    man konsumiert permanent.
    Nur unser ständiges Kaufen
    hält das System am Laufen.
    Unser westlicher Lebensstil
    taugt nicht als Menschheitsziel.

    Die Jagd nach ewigem Wachstum
    bringt letztlich den Planeten um.
    Das oberste Gebot der Zeit
    muss heißen Nachhaltigkeit.
    Statt nur nach Profit zu streben,
    im Einklang mit der Natur leben.

    Zu viele Buchen und Eichen
    mussten schon der Kohle weichen.
    Retten wir den herrlichen Wald,
    bewahren die Artenvielfalt.
    Kämpfen wir für Mutter Erde,
    dass sie nicht zur Wüste werde.

    Der Mensch, dieses kluge Wesen
    kann im Gesicht der Erde lesen.
    Er sieht die drohende Gefahr,
    spürt die Erwärmung Jahr für Jahr.
    Homo sapiens muss aufwachen,
    seine Hausaufgaben machen.

    Wir alle stehen in der Pflicht,
    maßvoll leben ist kein Verzicht.
    Teilen und Second Hand der Trend,
    Repair vor Neukauf konsequent.
    Bei allem etwas Enthaltsamkeit,
    nehmen wir uns die Freiheit.😉

    Für die Zukunft des Planeten,
    weg mit Panzern und Raketen.
    Lasst die weißen Tauben fliegen,
    Aggression und Hass besiegen.
    Die Leute legen ab den Neid,
    die Religionen ihren Streit.

    Fromme und Heiden sind vereint,
    uns’re Sonne für alle scheint.
    Keiner ist des Anderen Knecht,
    für alle gilt das Menschenrecht.
    Jeder kann glauben, was er will,
    Frieden und Freiheit unser Ziel.

    Rainer Kirmse , Altenburg

    Herzliche Grüße aus Thüringen

  2. Hallo Herr Schenkel,

    Ihr Beitrag zur Kosmologie hat natürlich großes Interesse bei mir geweckt, bei der Lektüre kam mir eine ganze Zahl an Gedanken. Da der Beitrag etwas länger war, wird der Kommentar auch nicht ganz so kurz. Ich bitte dies zu verzeihen.

    1. Ich habe das Buch Binggelis nicht gelesen, aber der von Ihnen vorgestellte Gedanke, dass die Physik und Astronomie die Jenseitsforschung der Moderne sei, erscheint mir doch zweifelhaft. Einerseits schließt das Jenseits ja immer auch eine metaphysische, spirituelle und moralische Dimension ein, die – wie Sie selber schrieben – gänzlich außen vor gelassen würde. Andererseits würde eben der Gedanke des Jenseits „verstofflicht“ und reduziert: Wiewohl Astrophysik und Quantenphysik Bereiche bearbeiten, die unserer direkten Erfahrung entzogen sind, sind sie nichtsdestoweniger ja durch Materialität geprägt, gehören dieser Welt an und sind mit physikalischen Geräten detektierbar bzw. beobachtbar. Den Begriff der „Jenseitsforschung“ hier zu verwenden ist humorvoll, aber, wenn im Ernst genommen, dann doch eine idiosynkratische Überschreibung des Inhalts des Begriffs ‚Jenseits‘. Unabhängig davon: Die Feststellung von Parallelen in „alter“ und „neuer“ Kosmologie, wie sie bei Binggeli begegnet, ist freilich ein Gewinn.

    2. Zum ‚primum mobile‘: Dieses ist nicht das „Erste BewegENDE“, sondern das „Erste BewegTE bzw. BewegLICHE“. Der Gedanke ist ja auch schon in der Antike vorhanden, spätestens mit Ptolmäus. Worauf ich hinaus will: Dieses ‚primum mobile‘ ist zwar das erste „Mittelglied“ der Ordnung des Weltalls, aber eben doch nur ein Mittelglied, empfängt seinerseits die Bewegung und ruft sie nicht hervor. Entsprechend kann es auch nur Bewegung vermitteln und nicht hervorbringen. Woran sich die jenseitserheischende Frage anschließt: Woher kommt denn dann die Bewegung, wer oder was ist der „unbewegte Beweger“?

    3. Noch ergänzend zum ‚primum mobile‘: Eckhart hat in seinem Sapientiakommentar eine interessanten Gedanken geäußert, dass diese oberste Sphäre sich so schnell bewegt, schneller als die übrige Natur erfahren könnte. Das ist denkstrukturell eine erstaunliche Parallele zur Lichtgeschwindigkeit.

    4. Die Dominanz der Zahl, die bei Gallileos Zugriff auf die dantesche Höllenbeschreibung vorhanden ist, taucht auch schon viel früher und ausgeprägt im Islam auf. Die Beschreibungen der Hölle wie auch des Paradieses erfolgen hier sehr häufig über die Verwendung von teils unerhört großen Zahlen im Kontext raum-zeitlicher Beschreibungen. Eines von vielen Beispiel liefert ein Hadit, worin ein zu hörender Knall mit der Antwort quittiert wird: „Das war ein Stein, der vor siebzig Jahren in die Hölle gestoßen wurde und jetzt auf ihrem Grund angekommen ist.“ Gut ersichtlich all dies in al-Ghazalis Buch 40 seiner „Wiederbelebung der religiösen Wissenschaften“, „Über den Tod und was danach ist“.

    5. Das Thema „Privatmythologien“, welches Sie kurz berührt haben: Ich denke, dass dieser Gedanken von Ihnen durchaus mit dem Aspekt von „neomythologischen Kolportagen“ wie er in Hausers „Kritik der neomythischen Vernunft“ geschildert wird, zusammengeht. Hauser beginnt mit der Darstellung der Ursprünge dieser Entwicklung schon im 18. Jh. Und, was hierbei enorm wichtig ist: Diese neuartigen, ich bin fast versucht zu sagen: Pseudomythologien, betreffen eben nicht nur wissenschaftsmüde Kreise, sondern sind im Kreis der Forscher auch wesentlich vorhanden und entstehen dort: Aussagen einiger Wissenschaftler „slippen“ von ihren konkreten Arbeitsfeldern in den Bereich der Metaphysik herein, es werden dann metaphysische Entwürfe vorgenommen, für die die selbe Gültigkeit beansprucht wird, wie für die ursprünglichen, fachwissenschaftlichen Ausführungen. Linus Hausers Werk ist zu empfehlen, da er diese Zusammenhänge sehr gut herausstellt. Ich werde wohl mal einen Blog-Beitrag dazu machen.

    Nochmals Dank für Ihren Beitrag, es grüßt, Markus Walther

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