Ferne Blicke – Nahe Blicke: Ein Rundgang auf der Festung Königstein

Im Juni 2020 war unser Arbeitskreis auf Exkursion in der Sächsisch-Böhmischen Schweiz. Die Festung Königstein galt es zu besichtigen. Mehr zu Toren, illustren Festungsgästen, Brunnen und Schätzen gibt es auf dem folgenden Rundgang zu entdecken.

Erste Impressionen

Wir beginnen unsere Reise im gleichnamigen Ort „Königstein“. Dort nehmen wir einen Bus, der uns bis zur Festung bringt. Als der Bus den Hügel hinauf taumelt und eine lange Reihe frustrierter Fahrer hinter sich lässt, kann man sich nur vorstellen, wie es gewesen sein muss, zu Pferd oder in einer Kutsche zur Festung zu fahren.  Der Bus setzt uns an einem Umsteigepunkt ab, wo wir dann in ein zugähnliches Fahrzeug umsteigen, das uns am Fuß der Festung absetzt. Die Anfahrt ist bequem, aber ich bin trotzdem dankbar, dass ich nicht den steilen Anstieg hinaufgehen muss, wie es andere Besucher tun.

Festung Königstein – Außenmauern

Als wir ankommen, ist es schwer, nicht beeindruckt zu sein. Die Festung wurde so gebaut, dass man die Mauern in den Sandsteine des Plateaus hat einfließen lassen, so dass Teile der Festung den Anschein erwecken, direkt aus dem Berg selbst herauszuwachsen. Die Mauern überragen uns, wodurch ich mich klein und sehr sichtbar fühle. Als ich nach oben blicke, wird mir klar, dass niemand, sei es ein einsamer Reisender oder eine Invasionsarmee, unbemerkt bleibt, wenn er sich den Mauern nähert. Jeder – auch ich – kann dann einzig darauf hoffen, dass die Tore offen stehen. Glücklicherweise tun sie es, und wir können nach dem Vorzeigen unserer Tickets problemlos unseren Weg fortsetzen.

Medusa-Tor

Das erste Tor, das wir passieren, öffnet sich in einen kleinen geschlossenen Bereich mit einem weiteren Tor, dem Medusa-Tor. Laut Fabrizio Barpi und Michael Deakin ist das Medusa-Tor ein ganz besonderes Beispiel für eine Art von Zugbrücke des Typs „Bélidor“ aus dem 18. Jahrhundert. Es verwendet für seinen Hebemechanismus eine Kreisbogenbahn, im Gegensatz zum sonst typischen Kardioidbogen. Diese Details sind jedoch leicht zu übersehen, es sei denn, man ist ein Brückenliebhaber. Das liegt daran, dass das Bild der Medusa mit offenem Mund an der Torkrone sehr leicht die Aufmerksamkeit der Besucher auf sich lenkt. Hinter dem Medusa-Tor gibt es ein weiteres Tor, zu dem man über eine bewaldete Brücke gelangt, die in einen langen, steilen, höhlenartigen Durchgang hinauf und in den inneren Teil der Festung führt. Das einzige Licht in diesem Abschnitt kommt von den Eingängen an beiden Enden des Durchgangs, was sowohl beeindruckend als auch erschreckend ist. Hier möchte man nicht eingeschlossen werden. Als ich im Halbdunkel den gepflasterten Gang hinaufstolpere, denke ich, dass Medusas offener Mund und ihre ausgestreckte Zunge wohl als Warnung gemeint sind, denn es fühlt sich so an, als würde ich von der Festung selbst verschluckt werden. Glücklicherweise gelange ich wieder ins Helle, bevor der Gedanke mich überwältigen kann.

Wir haben das Innere der Anlage erreicht, die eher einer kleinen Stadt als einer militärischen Festung ähnelt. Zahlreiche Gebäude unterschiedlicher Größe, darunter eine Kirche, sind größtenteils von einem kleinen Wald umgeben. Heute dienen einige dieser Gebäude anderen Zwecken, als jenen, für die sie ursprünglich gebaut worden sind, und beherbergen sowohl Museumsexponate als auch Ferienwohnungen. Das ganze Gelände ist durchdrungen von einem beinahe dörflichen Charakter.

Ich erfahre, dass Königstein so gebaut wurde, dass eine Eroberung unmöglich ist, daher mussten die Menschen innerhalb der Mauern Maßnahmen ergreifen, um für sich selbst zu sorgen. Viele der hier stationierten Soldaten erfüllten auch zivile Aufgaben.

Blick von der Festung auf den Ort Königstein und das Elbtal

Die Festung verfügt zudem über einige beeindruckende technische Bauwerke, die die Selbstversorgung erleichtern. Zwei davon werden im Folgenden ausführlicher besprochen. Die beeindruckendste bauliche Leistung ist für mich die Festung selbst. Wenn man auf den Mauern steht, hat man einen grandiosen Blick auf das Elbtal. Trotz des leichten Nebels können wir meilenweit sehen. Da dies mein erster Besuch auf Königstein ist, finde ich es atemberaubend, wie sich der Fluss durch das Tal schlängelt und die Stadt unter uns wie der Teil einer Modelleisenbahnanlage aussieht. Ich bin froh, dass ich die Gelegenheit für einem Besuch habe, und frage mich, welcher Anblick sich bot, als die Festung errichtet wurde.

In der Sonderausstellung mit dem Titel „Hohe Gäste auf Sachsens Schönster Feste“ (Laufzeit bis 1. November 2020) entdecken wir, dass Festungsbesucher im 18. und 19. Jahrhundert eine Sondergenehmigung des Landeshauptmannes von Dresden vorweisen mussten, um die Anlage betreten zu dürfen. Lag diese vor, wurden die Besucher oft von einem dienstfreien Soldaten auf dem Gelände herumgeführt.

Viele berühmte Künstler, Wissenschaftler, Adlige und Herrscher aus ganz Europa waren auf Königstein zu Gast. Die Ausstellung zeigt Porträts, Gemälde, Tagebucheinträge, Fotografien und andere Gegenstände, u.a. von Zar Peter I., Napoleon Bonaparte, Alexander von Humboldt, Carl Gustav Carus, Marie-Louise Vigée-Lebrun, Bernardo Belotto und Bertel Thorvaldsen. Angesichts meiner eigenen Eindrücke kann ich gut verstehen, warum die Festung zu einem Besuchermagneten avancierte.

Wer Königstein zwischen 1756 und 1758 mit den Augen von Bernardo Belotto sehen möchte, kann dies übrigens unter https://www.nga.gov/collection/art-object-page.80924.html#history tun. Die National Gallery of Art in Washington erwarb das Landschaftsgemälde 1993 für angeblich 9,5 Millionen Dollar. Es war eines von fünf Werken, die Friedrich August II., König von Polen und Kurfürst von Sachsen (1696-1763) in Auftrag gegeben hatte. Das Gemälde wurde wegen des Siebenjährige Krieges jedoch nie ausgeliefert. Es gelangte stattdessen in die Hände von Privatsammlern in London, wo es 150 Jahre lang verblieb.

Ein Beitrag von Colleen Nichols

Das Brunnenhaus

Unsere Besichtigungstour führte uns schließlich auch zum Brunnenhaus, einem eher unscheinbaren Bauwerk aus der Zeit des Spätbarock. Die Grundsteinlegung dieses Gebäudes erfolgte im Mai 1735. Der Bauherr war ein gewisser Jean de Bodt, der von Kurfürst Friedrich August II., dem Erben des bekannten Kurfürsten August des Starken, mit der Bauausführung beauftragt worden war. Das neue Brunnenhaus sollte das vorherige Brunnengebäude, das im Jahr 1716 fertiggestellt wurde, ersetzen, da es kein bombenfestes Gewölbe besaß. Es entstand ein etwa 4 Meter starkes Deckengewölbe, dass den Brunnen und das hölzerne Tretrad, welches zur Förderung des Wassers verwendet wurde, schützen sollte. Etwa 150 Jahre lang galt diese steinerne Schutzhaube mit einer Spannweite von mehr als 10 Metern als beschussfest. Da die massiven Befestigungsmauern, die den Königstein wie ein gewaltiges Korsett umschließen, von gegnerischen Militäreinheiten nur sehr schwer oder gar nicht zu überwinden waren, konzentrierte man sich bei den Schutzmaßnahmen besonders auf die Befestigung von Mauern und Decken, um sich somit besser vor feindlichen Kanonenkugeln schützen zu können. Aufgrund der sich rasch vollziehenden Weiterentwicklung der Militärtechnik sowie der Erfindung von weitreichenden Geschützen, ging jedoch die militärische Bedeutung der Festung Königstein Ende des 19. Jahrhunderts allmählich verloren.

Etwa im Jahr 1560 entschied der Kurfürst von Sachsen, dass der Königstein zur Festung ausgebaut werden sollte. Doch es bestand ein nicht zu unterschätzendes Problem, denn hoch oben auf dem Felsplateau mangelte es an verfügbarem Trinkwasser. Ein Brunnen musste her. Der erste Versuch, einen Brunnenschacht in den Sandstein zu hauen, fand im Jahre 1563 statt. Doch kurz nach dem Beginn der Arbeiten wurde das Vorhaben vorerst aufgegeben, da sich das Gestein als zu hart erwies. Etwa drei Jahre später startete ein neuer Versuch, den widerspenstigen Königstein zu bezwingen. Diesmal setzte man auf das Wissen fachkundiger Bergleute, die man in den Regionen Freiberg und Marienberg anwarb. Die Leitung übernahm der Bergmann und Stollenbauexperte Martin Planer. Mit Schlägel und Eisen kämpften sich die Bergleute in die Tiefe vor. Der Durchmesser des Schachtes betrug in etwa 3,5 Meter. In einer Tiefe von etwa 139 Metern erreichten die Bergmänner wasserführende Schichten im Grundgestein. Um den Wasserzulauf zu erhöhen, schlugen sie zwei Stollen in die Wandung des Schachtes. Doch die eindringende Wassermenge reichte nicht aus, um eine effiziente Nutzung des Brunnens sicherzustellen. Also entschied man sich, noch tiefer zu graben. In einer Tiefe von 147 Metern gelangte man schließlich in Bodenschichten, die ausreichend Grundwasser führten. Etwa 8000 Liter Wasser standen nun täglich zur Nutzung bereit. Im Jahr 1569 wurde das Brunnenbauprojekt in einer finalen Tiefe von 152 Metern erfolgreich abgeschlossen. Um eine hohe Wasserqualität zu gewährleisten, ließ Planer noch einen Belüftungsschacht in die Wand des Brunnens treiben, der anschließend verblendet wurde.   

Blick in den Brunnenschacht

Mit seiner außergewöhnlichen Tiefe von 152 Metern fällt der Blick des interessierten Besuchers beinahe ins Bodenlose. Nur der Brunnen der einstigen Reichsburg Kyffhausen in Thüringen übertrifft diesen Superlativ um etwa 24 Meter. Kaum vorstellbar, wie es die Bergleute mit ihren bescheidenen Möglichkeiten damals schaffen konnten, diesen Schacht in den königlichen Sandstein zu treiben. Um den Arbeitsort in der Tiefe erreichen zu können, schlugen sie beiderseitig viereckige Löcher in die Wände des Schachtes, welche hölzernen Balken als Fixierung dienten. Auf diese Weise konstruierten die Bergmänner in gewissen Abständen sichernde Zwischenböden, die durch Leitern miteinander verbunden wurden. In nur etwa zweieinhalb Jahren Bauzeit beförderten sie ungefähr 3800 Tonnen Sandstein aus dem endlos erscheinendem Loch inmitten des Felsmassivs, was ungefähr einem Volumen von 1400 Kubikmetern entspricht.

Nach der Vollendung des Brunnenschachtes im Jahre 1569 musste nun ein spezielles Hebewerk konstruiert werden, um das Wasser fördern zu können. Man entschied sich, ein hölzernes Göpelwerk zu bauen, das aus einer Antriebs- und einer Abtriebswelle bestand. Zwei Pferde sollten mit ihrer Zugkraft die Brunnenwelle des Göpelwerkes in Rotation versetzen, um die Wasserfässer aus der Tiefe nach oben zu ziehen. Im Jahre 1569 war die Überdachung der Laufbahn für die Zugtiere fertiggestellt und das hölzerne Kammrad, welches die Zugkraft der Pferde auf die Brunnenwelle übertragen sollte, wartete auf seinen ersten Einsatz. Um den Brunnen vor dem Wetter und vor Verunreinigung zu schützen, errichtete man ein kleines hölzernes Brunnenhaus. Ein Jahr später, im Jahre 1570, war dann auch die eiserne Kette einsatzbereit, die sich um die Brunnenwelle windend, das erste volle Wasserfass nach oben zog.

Doch ein unsachgemäßer Gebrauch des Hebewerkes führte dazu, dass der Göpel schon etwa drei Jahre nach seiner Fertigstellung seine Funktionsfähigkeit verlor. Etwas Neues musste konstruiert werden. Man entschied sich ein Tretrad zu errichten, das nach den Vorgaben des Dresdner Zeugmeisters Paul Buchner gefertigt wurde. Im Jahre 1586 waren die Arbeiten am Rad abgeschlossen und ein neues Brunnenhaus war fertiggestellt. Von nun an stellten nicht mehr Pferde die benötigte Antriebsenergie bereit, sondern Menschen im Inneren des Rades versetzten die Brunnenwelle aufgrund ihrer Laufbewegung in Rotation. Das hölzerne Tretrad hatte einen Durchmesser von 7 Metern, und 4 Männer mussten täglich 28800 Schritte laufen, um 36 Fässer mit einem Fassungsvermögen von je 150 Litern Wasser zu fördern. Für diese Arbeit wurden meist Fronarbeiter, Garnisonssoldaten und Strafgefangene herangezogen. Für einen Hamster wäre es wohl die helle Freude, diesen Job übernehmen zu dürfen, doch für einen Mensch wird es wohl keine besonders beliebte Tätigkeit gewesen sein. Etwa 10 Minuten dauerte es, bis ein leeres Fass nach unten und gleichzeitig ein volles Fass nach oben gelangte. Der Brunnenwart, dessen Wohngemach sich ebenfalls im Brunnenhaus befand, schüttete dann das Wasser in eine Rinne, von wo es zu einem Reservoir abgeleitet wurde. Das hölzerne Tretrad konnte sich leider nicht über die Jahrhunderte retten und so zeugen heute nur noch die Informationstafeln im Inneren des Brunnenhauses von dessen einstiger Existenz.

Mit der Stationierung von etwa 700 französischen Soldaten auf der Festung stieg der Wasserverbrauch während des Deutsch-Französischen Krieges in den Jahren 1870 bis 1871 um das Dreifache. Da das hölzerne Tretrad die benötigten Wassermengen nicht bereitstellen konnte, installierte man im Brunnenhaus eine leistungsfähige Wanddampfmaschine, deren Druckkessel in einem Nebenraum untergebracht wurde. Über einen Riemen wurde nun die durch Dampfdruck generierte Drehbewegung der Maschine direkt auf die Achse der Seiltrommel übertragen. Mittels einer Umsteuerung konnte die Drehbewegung geändert werden, um somit die Fässer entweder nach oben zu ziehen oder nach unten zu befördern. Wo vorher noch Tiere oder Menschen den ganzen Tag schuften mussten, um die Wasserversorgung der Festung aufrechtzuerhalten, reichte nun ein fünfstündiger Betrieb der neuen Maschine aus, um ausreichend Wasser zu fördern. Nun bot sich die Möglichkeit, den Kessel auch anderweitig zu verwenden, um den Nutzen der Anlage zu optimieren. Man entschied sich, eine Mannschaftsküche mit sechs dampfbetriebenen Kochkesseln im Erdgeschoss des Brunnenhauses einzurichten. Zudem entstand eine Badestube, die mit dem heißen Wasser des Kessels versorgt wurde. Etwa ein Jahr später, 1892, erbaute man an der Rückseite des Brunnenhauses ein angeschlossenes Waschhaus. Unter dem Anbau des Waschhauses schlug man einen Keller ins bloße Gestein, in dem die so wichtige Stein- oder Braunkohle sicher gebunkert werden konnte. Um die von der Maschine erbrachte Leistung noch weiter zu erhöhen, installierte man im Jahre 1881 eine zweite Wanddampfmaschine im Brunnenhaus. Die Kessel der beiden Anlagen mussten effektiv vor feindlichem Beschuss geschützt werden. Um dies zu realisieren, errichtete man an der Rückseite des Brunnenhauses einen Anbau, dessen Decke aus Eisenträgern und Granitstampfbeton bestand. Im Brunnenhaus selbst ließ man ebenfalls eine Zwischendecke aus diesen beschussfesten Materialien einziehen.

Welche Ungeheuer sich im dunklen Brunnenschacht wohl noch verbergen mögen? In der heutigen Zeit kann der Zuschauer auf einem Monitor den Abstieg des leeren Fasses in die düstere Unterwelt des Königsteins und die darauf folgende Rückkehr des vollen Fasses in die Oberwelt der Festungsanlage hautnah miterleben. Es werde Wasser und es ward Wasser! Da das historische Tretrad aus Holz leider längst das Zeitliche gesegnet hat und auch die nachfolgende Antriebstechnik der beiden Dampfmaschinen dem Zahn der Zeit zum Opfer fiel, wird die seilführende Brunnenwelle heutzutage mit einem Elektromotor angetrieben. Wenn das Glück einem hold ist und man zur rechten Zeit erscheint, kann man in einer Vorführung unmittelbar miterleben, wie das Fass aus der Tiefe langsam emporsteigt. Oder man informiert sich einfach schon im Vorfeld darüber, zu welchem Zeitpunkt die Vorführungen stattfinden.

Wenn die alten Gemäuer des Brunnenhauses der Festung Königstein sprechen könnten, so würden sie wohl von einer wechselvollen und spannenden Geschichte berichten, denn sie waren ein unmittelbarer Zeuge der rasch voranschreitenden Entwicklung menschlicher Technologie. Was man einst noch aus Holz konstruierte und was von tierischer oder menschlicher Muskelkraft betrieben wurde, wandelte sich mit der Zeit zu dröhnenden und dampfenden Stahlkolossen, die nicht mehr Heu oder Brot als tägliche Nahrung beanspruchten, sondern in gigantischen Mengen Stein- oder Braunkohle verschlangen. Schließlich wurde auch die als nahezu uneinnehmbar geltende Festung Königstein vom Siegeszug der Elektrifizierung übermannt, und alles, was vorher noch durch bloße Muskel- oder Dampfkraft weitestgehend autark betrieben wurde, war von da an abhängig vom Wohlwollen weit entfernt agierender Energiekonzerne. Wie diese Geschichte wohl weitergehen mag?

Ein Beitrag von Andreas Erler

Das Schatzhaus

Schatzhaus

Das Schatzhaus der Festung Königstein wurde in den Jahren 1854 bis 1855 in Form eines beschussfesten Pulvermagazins errichtet und ab 1894 wurde es sogar zeitweilig als Lagerraum für Munition genutzt. Um dieser Aufgabe gerecht zu werden, befindet sich unter dem Dach ein ca. 1,20m starkes Sandsteingewölbe, welches Schutz vor auftreffenden Artilleriegeschossen bot. Auch die 1,80m dicken Seitenwände flößen Vertrauen ein. In regemäßigen Abständen darin eingefügte  Ventilationskanäle sorgten für ein angenehmes Raumklima beim Verfrachten von Gold. Von außen sieht das Schatzhaus dabei recht unscheinbar aus, und wären nicht die eisenbeschlagenen Durchgänge, könnte man direkt auf die Idee kommen, vor einer turmlosen Kapelle zu stehen. Eine der Texttafeln der Ausstellung im Inneren berichtet interessanterweise auch, dass eben dies während des ersten Weltkrieges der Fall gewesen war, als das Gebäude kurzfristig als Kapelle für französische Offiziere diente.

Andererseits, und gar nicht so geistlich-ideell, sieht es auch einem etwas in die Breite geschmolzenem Monopoly-Hotel Spielstein zum Verwechseln ähnlich, und damit ist man dann wieder auf der richtigen Schiene. Money Money Money. Apropos Schienen: diese waren im Keller des Schatzhauses verlegt, um den Transport der mit Goldmünzen beladenen Fässer zu entproblematisieren und den Verschleiß an Finanzbeamten zu reduzieren. Dafür wurden die Fässer auf kleinen Wagen manövriert, nicht unähnlich der Güterloren des Bergbaues, bis das raffinierte Edelerz optimal verstaut war. Immerhin bis zu 230 kg konnte je ein Fass mit 10.000 Talern Inhalt auf die Waage bringen, oder wie man auf der Festung Königsstein zu messen pflegt: knapp zwei (2) Auguste der Starke. Der Regent wusste mit seinen 120 kg Genussgewicht eben ganz sicherlich, die königliche Münze für lukullische und gicht-fördernde Zwecke umzusetzen.

Im Inneren des Schatzhauses

Ab 1860 wurden auch immer wieder größere Summen aus Dresden in das Schatzhaus zur sicheren Verwahrung eingelagert. In den Jahren 1860 bis 1865 befanden sich hier insgesamt 2 Millionen Taler, für deren Transport vom Bahnhof Königsstein bis zur Festung sich 200 randvoll gefüllte Goldfässer auf 34 Pferdewagen verteilten. Das Ausstellungsmaterial berichtet eine faszinierende Anekdote für das Folgejahr: Einige Stunden bevor die preußischen Truppen am 18.6.1866 in Dresden einmarschierten und die Stadt besetzten, konnten noch 23 Fässer mit 200.000 Talern und zusätzlich einigen Gold-und Silberbarren im Wert von ca. 50.000 Talern per Schienenweg auf die Festung gebracht werden. Gott sei Dank! Danach wurden die Gleise an einigen Stellen unbefahrbar gemacht, um eine Verfolgung des „Silberzuges“ zu erschweren. Wie sinnvoll das Ganze dann allerdings noch gewesen ist, trotz filmreifen Einsatzes der damals modernsten Informationstechnik (Telegramm), die die stationierten Soldaten auf der Festung auf die kostbare Fracht vorbereitete, ist fraglich. Der Krieg war verloren und der Vertrag von Berlin vom 21. Oktober 1866 sollte regeln, welche Kriegsentschädigung Sachsen zu zahlen hatte. Immerhin war das Gold schon gezählt.

Ein Beitrag von Sebastian Helm

Literaturhinweise:

Barpi, Fabrizio and Deakin, Michael A. (2012). The Bélidor Bascule Bridge Design. The International Journal for the History of Engineering & Technology, 82:2, S. 159-175.

https://www.festung-koenigstein.de/en/special-exhibition-important-guests-at-saxonys-most-beautiful-fortress.html (For information in English)

https://www.festung-koenigstein.de/de/sonderausstellung-hohe-gaeste-auf-sachsens-schoenster-feste.html (Für Informationen auf Deutsch)

Vogel, C. (1993).The Art Market: Bellotto’s ‚Fortress,‘ headed for Washington? New York Times; ProQuest Historical Newspapers: The New York Times with Index pg. C15. (Mar 19, 1993).

https://www.nga.gov/collection/art-object-page.80924.html#provenance (The Fortress of Königstein, 1756-1758)

Balthasar Friedrich Buchhäuser: Die Chur-Sächsische Vestung Königstein, 1692.

Christian Heckel: Historische Beschreibung der weltberühmten Festung Königstein, Dresden 1736.

Albert Klemm: Neue sächsische Kirchengalerie – Die Geschichte der Berggemeinde der Festung Königstein, Verlag von Arwed Strauch, Leipzig 1905.

Ingo Busse: Der Brunnen auf dem Königstein. in: Sächsische Schlösserverwaltung, Dresden 1995.

Festung Königstein GmbH: In Lapide Regis – Auf dem Stein des Königs, Katalogedition zur Dauerausstellung über die Geschichte des Königsteins, Königstein 2017.

Angelika Taube: Festung Königstein, Edition Leipzig, 2014.

© Arbeitskreis für Vergleichende Mythologie e. V.

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