Ein Buch über Bücher: Der Club Dumas von Arturo Peréz-Reverte

Es gibt Bücher zum Verkaufen und Bücher zum Aufbewahren. Was letztere angeht, so tritt man der Bibliophilie bei wie einer Religion: fürs ganze Leben“ – Varo Borja – (S.65)

Es gibt zwei Gründe, warum die meisten Menschen Bücher besitzen: entweder zur Unterhaltung am Abend oder weil sie berufsbedingt mit Büchern zu tun haben. Und dann gibt es noch jene, die ihre Schwiegermutter für eine seltene Erstausgabe ihres Lieblingsautors verkaufen würden. Solche Leute sind das Klientel von Lucas Corso, dem Hauptprotagonisten in Der Club Dumas von Arturo Pérez-Reverte. Denn Corso ist Bücherjäger. Und er ist der Beste in seinem Job.

„Corso war ein »Söldner der Bibliophilie«, ein Bücherjäger auf fremde Rechnung. Dazu gehörten schmutzige Finger ebenso wie Redegewandtheit, ein gutes Reaktionsvermögen, Ausdauer und viel Glück. Und natürlich ein hervorragendes Gedächtnis, um sich daran zu erinnern zu können, in welchem staubigen Winkel diese oder jenes Trödelladens das Exemplar schlummert, für das ein Vermögen bezahlt wird. Sein Kundenkreis war klein und erlesen: ungefähr zwanzig Antiquare in Mailand, Paris, London, Barcelona oder Lausanne, die nur nach Katalog verkaufen, grundsätzlich auf Nummer Sicher gehen und nie mehr als fünfzig Titel auf einmal anbieten. Hochadel des Wiegendrucks, für den Pergament statt Velin oder drei Zentimeter mehr Blattrand Tausende von Dollars bedeuten könne. Diese Gutenberg-Schakale, Piranhas der Antiquariatsmessen, Blutegel der Auktionen, schrecken nicht davor zurück, ihre Mutter für eine Erstausgabe zu verschachern, empfangen aber ihre Kunden in Salons mit Ledersofas und Blick auf den Duomo oder den Bodensee und machen sich nie die Hände schmutzig, geschweige denn, dass sie ihr Gewissen mit irgend etwas belasten. Dafür müssen Typen wie Corso herhalten.“ – Boris Balkan – (S. 8f.)

In Der Club Dumas des spanischen Bestsellerautors Arturo Pérez-Reverte führt den Leser in die Welt des antiquarischen Buchhandels, die privaten Hinterzimmer bibliophiler Sammler und die Studierstuben von Okkultisten und Literaturkennern.

Bücherjäger Corso soll für seinen Freund und Geschäftspartner Flavio La Ponte ein Manuskript von Le vin d’Anjou, dem verschollen geglaubten Kapitel aus Alexandre Dumas Roman Die drei Musketiere, auf dessen Echtheit überprüfen. Ein einfacher Freundschaftsdienst, wie es scheint. Zeitgleich erhält der Bücherjäger ein delikates, aber auch finanziell verlockendes Angebot: Er soll für einen der reichsten Antiquare Europas, Varo Borja, eine ganz besondere Recherche durchführen. DE UMBRARUM REGNI NOVEM PORTIS, auf Deutsch „Buch von den neun Pforten ins Reich der Schatten“ des Buchdruckers Aristide Torchia gilt als eines der seltensten Bücher auf der Welt. Als Ketzer von der Inquisition im 17. Jahrhundert hingerichtet, soll Torchia mit diesem Buch eine Anleitung zur Beschwörung des Teufels verfasst haben. Corsos Job ist es, die drei verbliebenen Exemplare auf ihre Authentizität zu überprüfen.

Mögen Sie Rätsel? Probleme, die es zu knacken gilt? Im Grunde genommen geht es nämlich bei dem Buch, das Sie da in der Hand haben, genau darum. Wie alle intelligenten Wesen liebt der Teufel Spiele, Rätselaufgaben, Hindernisläufe, bei denen die Schwachen und Beschränkten auf der Strecke bleiben und nur die überragenden Geister ans Ziel gelangen. Die Initiierten.“ – Baronin Frida Ungern – (S. 288)

Es beginnt eine aufreibende, ja sogar lebensgefährliche Spurensuche, die Corso über Madrid (Spanien), Sintra (Portugal), Paris (Frankreich) und Toledo (Spanien) führt. Während seiner Recherchen über die „Neun Pforten ins Reich der Schatten“ trifft er auf exzentrische Buchdrucker, dem Wahnsinn anheimgefallene Büchersammler und eine geheimnisvolle Femme Fatale. Dabei bleiben die zwei parallel laufenden Handlungsstränge des Romans eng beisammen und laufen nicht ins Leere. So ist Corso in einer Szene mit der Lösung des Rätsels um Torchias infernalischen Buch beschäftigt, nur um im Anschluss wieder mit Dumas‘ Leben und Figuren konfrontiert zu werden. Nur das Dumas‘ Figuren Richelieu, Rochefort und Mylady nun scheinbar tatsächlich in Corsos Leben treten, bis die Grenzen zwischen dem Roman und der Wirklichkeit zu verschwimmen beginnen. Und dann ist da noch die junge und rätselhafte „Irene Adler“, die dem Bücherjäger scheinbar immer genau dann über den Weg läuft, wenn es brenzlig wird.

Was Alexandre Dumas und der Teufel schließlich miteinander verbindet, wer letztlich die Morde begangen hat (auch Bücher können tödlich sein) und warum dieser Roman vielleicht eine der besten Darstellungen Luzifers und dessen Beweggründe enthält, soll an dieser Stelle offen bleiben.

Mit sanfter Ironie und morbiden Bildern schafft Pérez-Reverte eine bibliophile Liebeserklärung an das Kulturgut »Buch« und steht gleichzeitig in bester Tradition von Umberto Eco‘s Der Name der Rose (1982). Wie Eco, vermischt Pérez-Reverte Historisches und Fiktives zu einer dramatischen Handlung, die den Leser in Atem hält. Der Club Dumas ist eine fesselnde Lektüre für Bücherfreunde und zeitgleich eine Schatztruhe an fachlichen Information über den antiquarischen Buchhandel, Buchdruck und die großen Autoren der Unterhaltungsliteratur im 19. Jahrhundert. Gleichzeitig werden jene, die sich für Okkultismus, Dämonologie und den Teufel interessieren, auf ihre Kosten kommen, denn der Roman bietet einen umfassenden Überblick über die magisch-okkulte Literatur und deren Verfasser in der Frühen Neuzeit. Daher sind nach Meinung des Rezensenten die eigentlichen Hauptpersonen dieses Romans nicht die Menschen, sondern die Bücher. Trotzdem erfahren wir als Leser mehr als genug über die Hintergrundgeschichte und einzelnen Motive der verschiedenen Charaktere, um deren Handlungen nachvollziehen zu können. Sicherlich bleibt manche seelische Leerstelle offen, doch das stört im Fall Der Club Dumas in keinster Weise. Im Gegenteil: Man bekommt beim Lesen vielmehr Lust, ob der Fülle an Anspielungen, Zitaten und Querverweisen auf Bücher und Autoren, diese einmal selbst zu lesen, statt sich über das Innenleben Corsos oder La Pontes Gedanken zu machen.

An wen richtet sich der Roman? Der Club Dumas wird erster Linie ob der Vielzahl von bibliografischen Informationen und Querverweisen eine bibliophile Leserschaft ansprechen. Aber auch Freunde von spannungsgeladenen Detektivgeschichten werden auf ihre Kosten kommen. Leichte Bettlektüre wird man hingegen bei diesem bisweilen düsteren Roman vermissen.

Zu guter Letzt noch ein Wort zu der Verfilmung dieses Romans: „Handwerklich solide“ oder „Gutes Popcornkino“. Das darf man getrost über Die neun Pforten aus dem Jahr 1999 sagen. Regisseur Roman Polański hat mit Johnny Depp in der Hauptrolle des Lucas Corso einen Film gedreht, der den Rezensenten erst auf dieses Buch aufmerksam machte. Dafür sei dem Regisseur von Herzen gedankt.

Ein Beitrag von Leonhard Lietz


Leonhard Lietz ist Germanist und Kulturhistoriker. Zu seinen Schwerpunkten zählen u.a. vergleichende Kulturgeschichte, Mythologie und Magiestudien. Aktuell arbeitet er an seiner Dissertation über Agrippa von Nettesheim.


Literaturhinweis:

Arturo Pérez-Reverte: Der Club Dumas. Insel Verlag, Berlin 2017. 464 Seiten.


© Arbeitskreis für Vergleichende Mythologie e. V.

2 Antworten auf „Ein Buch über Bücher: Der Club Dumas von Arturo Peréz-Reverte“

  1. Genau meine Einschätzung zum Buch und Film, und nach der Filmschau wollte ich auch das Buch haben. Zudem gibt es einige interessante Unterschiede zw. Film & Buch, sodaß sich beides lohnt.

    1. Das freut mich, wenn ich Ihre Einschätzung getroffen habe. In der tat sind Buch und Film beide auf ihre Weise schätzenswert, wobei ich dem Buch def. den Vorzug geben würde.

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