Des Kaisers gefährliche Blüten

Das ausgehende 19. Jahrhundert war eine Epoche, in der sich die Darstellung antiker Sujets großer Beliebtheit erfreute. Die sogenannte Salonmalerei bot u.a. mit der Darstellung antiker Alltagsszenen Museums- und Ausstellungsbesuchern die Möglichkeit, dem strengen Moralkodex des Viktorianischen Zeitalters zumindest visuell in eine leichte und sinnenfrohe Welt hin zu entfliehen.

Lawrence Alma-Tadema, Selbstportrait, 1896, Öl auf Leinwand, Höhe: 66,5 cm x 53,5 cm,
Inventario 1890 – Polo Museale Fiorentino ID: 3132

Der Niederländer Lawrence Alma-Tadema (1836-1912) gehört den bedeutendsten Malern der Belle Époque. Seine Bilder schwelgen in Farben und Formen und bedienten so die Fantasien nicht nur der gebildeten britischen Oberschicht. Er studierte zunächst Kunst an der Akademie in Antwerpen, wo er sich auch als Archäologe ausbilden ließ; seine Lehrer in der Malerei waren die beiden belgischen Historienmaler E. Ch. Gustav Wappers und Nicaise de Keyser.

Louis de Taye, Professor für Archäologie an der Akademie und praktizierender Künstler, hatte zu dieser Zeit großen Einfluss auf ihn. Alma-Tadema lebte und arbeitete von 1857 bis 1859 mit De Taye und wurde von ihm ermutigt, Motive aus der frühen Geschichte Frankreichs und Belgiens darzustellen. Diese Vorliebe für historische Themen verstärkte sich, als er 1859 in das Atelier von Baron Henri Leys eintrat und begann, ihm bei seinen monumentalen Fresken für das Antwerpener Rathaus zu helfen.

Seine erste Ausstellung im Jahre 1857 machte Alma-Tadema schnell auch im Ausland bekannt. Eine Italienreise 1863 verstärkte seine Begeisterung für die griechisch-römische Antike. Fortan spezialisierte sich danach auf die Darstellung antiker historischer Sujets und brachte er überwiegend Motive aus dem antiken Alltagsleben auf die Leinwand, was seinen internationalen Erfolg noch steigerte. 

1870 siedelt er nach London über, wo ihm nicht zuletzt durch die Präsentation seiner Werke bei den jährlichen Ausstellungen der Royal Akademie weiterer Ruhm zuteilt wurde, die ihn schließlich 1879 als Mitglied aufnahm. Alma-Tadema war zudem Mitglied der Akademie Berlin, der Königlichen Akademie Madrid, der Akademie der Bildenden Künste Wien sowie der Akademie der Bildenden Künste München. 1873 erlangte er die britische Staatsbürgerschaft.  1899 schlug ihn Queen Victoria, die seine Kunst sehr verehrte, zum Ritter.

Lawrence Alma-Tadema starb 1912 und wurde in der Londoner St. Paul’s Cathedral beigesetzt. Zahlreiche seiner Werke sind heute weltweit in renommierten Museen zu besichtigen. Alma-Tadema prägte mit seinen Gemälden erheblich unser heutiges Bild der Antike. Sein Stil zeichnete sich durch eine außergewöhnliche Detailgenauigkeit aus, mit der er Blüten, Texturen und Oberflächen darstellte. Seine Kunst wird dem akademischen Realismus zugeordnet.

Nicht zuletzt ließen sich namhafte Filmschaffende durch Alma-Tademas Darstellungen zur Ausgestaltung von Filmen wie „Ben Hur“, „Quo Vadis“ oder „Gladiator“ inspirieren. In diesem Kontext ist auch das hier besprochene Gemälde Die Rosen des Heliogabalus zu betrachten, welches eine Szene aus dem Leben eines römischen Despoten schildert.

Die Rosen des Heliogabalus

Der römische Kaiser Marcus Aurel(l)ius Antoninus (eigentlich Varius Avitus Bassianus, 204 – 222 n. Chr.) bestieg bereits 14jährig den Thron, bevor er nach nicht einmal vier Jahren Regierungszeit im Zuge eines Aufstandes von aufständischen Prätorianern ermordet wurde. Der Beiname Elagabal wurde dem Regenten erst lange nach seinem Tod zugeschrieben. Elagabal (altgriechisch Ἐλαγάβαλος Elagábalos, latinisiert Elagabalus oder Heliogabalus) ist der Name eines antiken Sonnengottes, dessen Kultzentrum in der syrischen Stadt Emesa beheimatet war. Von 219 bis 222 holte Marcus Aurelius Antoninus den Kult ins Römische Reich. Jedoch stieß die als fremdartig empfundene Religion bei den Römern auf breite Ablehnung. Mit dem Tod des Kaisers endete auch der Elagábalos-Kult in Rom.

Lawrence Alma-Tadema: Die Rosen des Heliogabalus, 1888, Öl auf Leinwand, 132,7 × 214,4 cm, Sammlung Juan Antonio Pérez Simón, Mexiko-Stadt

Die antike Geschichtsschreibung und später auch nicht wenige Historiker ließen kein gutes Haar an dem jugendlichen Kaiser, dessen dekadenter Lebensstil großen Unmut sowohl in der römischen Oberschicht als auch beim einfachen Volk erregte. So steht Elagabal – obschon nicht mehr so berühmt-berüchtigt wie Nero oder Caligula – für Luxus, Zügellosigkeit und Wahnsinn.

Er vernachlässigte die Regierungsgeschäfte, zelebrierte intensiv den Priesterkult um Elagábalos und frönte zudem hemmungslos einem hedonistischen Lebensstil: „[So] … entpuppte sich der Knabe Elagabal als feminin wirkender und schwuler Priesterkaiser, der keine Feldzüge führte, sondern fast ausschließlich damit beschäftigt war, seinem Gott zu opfern und dabei im Reigen mit syrischen Tempeldienerinnen zu tanzen.“ (Altmayer, 2014)

Das Ölgemälde Die Rosen des Heliogabalus wurde von Sir John Aird, ein britischen Bauunternehmer und Förderer Alma-Tademas, in Auftrag gegeben. Das eindrucksvolle Werk hängt heute in der Sammlung Juan Antonio Pérez Simón in Mexiko-Stadt.

Das Bild fesselt zunächst durch seine heitere und leuchtende Farbgebung. Wir entdecken im Vordergrund mehrere Figuren, die einem wahren Blütenmeer in allen Schattierungen von Rosa zu schwimmen scheinen. Im Bildhintergrund sehen wir vor einer idyllischen Landschaft unter blauem Himmel den in ein goldenes Gewand gekleideten und mit einer Tiara geschmückten jungen Kaiser, der mit seinem Gefolge im Liegen diniert und dabei mit seinen Gästen das Geschehen vor ihm betrachtet. Dahinter befindet sich eine Statue des Gottes Dionysos; zur Linken der Feiernden untermalt eine Frau, die auf einer antiken Doppelflöte (Auloi) spielt, die Szenerie musikalisch.

Was zunächst wie eine ausgelassene Szene wirkt, entpuppt sich bei näherer Betrachtung als eher befremdliches Geschehen. Dass Blumen einen Raum schmückten, zumal bei einem Bankett, mag auch in der Antike durchaus üblich gewesen sein. Aber warum dieser Blütenregen, der hier auf die Köpfe einiger Menschen niedergeht?

Tatsächlich sind wir hier Zeuge eines tragischen und grotesken Ereignisses: Alma-Tadema illustriert mit seinem Kunstwerk eine Erzählung des fiktiven Autors Aelius Lampridius aus der Historia Augusta, eine um das Jahr 400 entstandene Sammlung von Kaiserbiographien, die von einem grausamen Scherz Heliogabalus‘ berichtet: „In seinen Speisezimmern ließ er seine schmarotzenden Tischgäste mittels beweglicher Decken unter Veilchen und anderen Blumen begraben, was zur Folge hatte, dass einige, die sich nicht mehr emporarbeiten konnten, den Geist aufgaben.“

Somit wird der Betrachter zunächst getäuscht. Sehen wir nämlich genauer hin, so erkennen wir am linken Bildrand Teile eines großen Tuches mitsamt den gelösten Schlaufen, in welchem die tödliche Blütenlast zuvor über den Köpfen der Anwesenden verborgen gewesen war. Wir wohnen also dem Erstickungstod von Menschen bei – ein brutales und erschütterndes Ereignis, ersonnen von einem erbarmungslosen Regenten zu seinem Amüsement und dem seiner Tischgenossen.  Ob sich diese Episode tatsächlich so zugetragen hat, ist nicht geklärt. Alma-Tadema entschied sich, statt Veilchenblüten, welche die Historia Augusta erwähnt, Rosenblüten zu verwenden.

Der Erfolg des Malers begründet sich nicht zuletzt auf seine Liebe zum Detail, verbunden mit seinem Bestreben nach Glaubwürdigkeit der von ihm dargestellten Ereignisse. Um jede einzelne Blüte wirklichkeitsgetreu wiedergeben zu können, soll sich der Künstler per Schiff wochenlang mit frischen Rosenblüten aus südlichen Gefilden haben beliefern lassen.

Das Bild hat auch in die kommerzielle Vermarktung Eingang gefunden. Man kann es, wie so viele Kunstwerke, als Poster oder auch Kopie in Öl z.B. ins Wohnzimmer hängen, als Mousepad auf den Schreibtisch legen oder den Kaffee aus einer entsprechend bedruckten Tasse trinken. Jedoch um die tatsächliche Tragik des dargestellten Ereignisses zu wissen, lässt Fans dieses beliebten Bildes vielleicht doch nachdenklich zurück. (?)

Ein Beitrag von Isabel Bendt


Literaturhinweise:

Aelius Lampridius: Antoninus Heliogabalus. In: Historia Augusta. Bd.1: Von Hadrianus bis Alexander Severus. Zürich, München: Artemis 1976

Altmayer, Klaus: Elagabal: Roms Priesterkaiser und seine Zeit, Nordhausen, Bautz 2014

Baykal, Hakan: Elagabal. Kaiser unter falschem Gott. In: Spektrum Geschichte 01/2023. Heidelberg, Spektrum der Wissenschaft 2023

Baur, Sarah: Sir Lawrence Alma-Tadema – The Roses of Heligabalus, URL: https://www.the-artinspector.de/post/sir-lawrence-alma-tadema-the-roses-of-heligabalus (Stand: 18.06.2024)

Icks, Martijn: Elagabal. Leben und Vermächtnis von Roms Priesterkaiser. Darmstadt, Philipp von Zabern 2014

Matzner, Alexandra: Lawrence Alma-Tadema. Leben und Werk. URL: https://artinwords.de/lawrence-alma-tadema/ (Stand: 21.06.2024)

Prettejohn, Elizabeth; Trippi, Peter (Hrsg.): Lawrence Alma-Tadema. Klassische Verführung Hrsg. für das Fries Museum. München: Prestel, 2016.


 © Arbeitskreis für Vergleichende Mythologie e. V.

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