Der MYTHO-Blog liest wieder 4.0

Die Crawford Chroniken Band I . Die Krähen von Greengate

Ich bewundere intelligente und phantasievolle Unterhaltung. Sie zu finden wird nur immer schwieriger. Zumindest für mich. Dabei bin ich bei weitem kein Kostverächter, wenn es um phantastische Unterhaltungsliteratur geht. Meine Regale sind voll davon, und mit jedem einzelnen Buch habe ich wunderbare Stunden verbracht. Doch ich will mittlerweile mehr als die typische Drachenjagd. Betritt man die Abteilung Fantasy in einer der großen Buchketten, wird man erschlagen von einer Fülle an gleichförmigen Geschichten, die sich nur geringfügig in Story und Charakterdesign voneinander unterscheiden.

Die meisten davon werden mindestens zu einer Trilogie ausgearbeitet, sodass der Strom an billiger Fantasy nicht abreißt. Hier die zehnte Geschichte von Buchhändlern, die mindestens ein Geheimnis bewahren, dort ein weiterer Gesetzeshüter, der zum Ghostbuster wird. Daneben die üblichen Drachenreiter und Co. KG, die wieder irgendeinen dunklen Herrscher besiegen müssen. Überall dieselben Geschichten, die sich nur in kleinen Nuancen unterscheiden. Die Mehrzahl dieser Bücher ist Massenware für ein Massenpublikum. Billiger Eskapismus im Taschenbuchformat für 16,99€. Einmal gelesen und weg damit auf den stetig wachsenden Papierhaufen. Und auch wenn es schwieriger wird, innovativ zu sein (was im Übrigen schon länger ein Problem phantastischer Literatur zu sein scheint), gibt es immer wieder Autoren, die aus der Masse hervorstechen. So stieß ich kürzlich auf den Erstling der Fantasy-Autorin Cor Nightingale. In Die Krähen von Greengate erleben wir den Aufstieg von Cassander „Wicked Cass“ Crawford und seiner Familie aus dem Vagabundendasein in den Adelsstand und den damit verbundenen Problemen einer typisch mittelalterlichen Welt, in der Newcomer von den alteingesessenen Herrschern selten herzlich begrüßt werden. Zeit zum Ausruhen bleibt den Crawfords wenig, denn die adligen Nachbarn schmieden sofort Intrigen, um die Emporkömmlinge zu Fall zu bringen. Es wird also blutig in der Welt von Twifloten werden. Armut, Unterdrückung und kulturelle Konflikte begleiten die Protagonisten auf Schritt und Tritt. Doch die Crawfords beginnen nicht nur ihre neue Machtposition schnell zu festigen, sondern gehen die Dinge dabei auch anders an, als ihre Feinde und der Leser erwarten würden. Nach Fabelwesen und magischen Artefakten wird man allerdings vergebens suchen. Denn bei Cor Nightingale gibt es keine guten Feen oder magische Zauberformeln, die einen in letzter Sekunde retten.

Neben den angedeuteten politischen Spannungen fällt besonders erfrischend das von der Autorin gezeichnete Innenleben der Figuren auf. Selten erlebt der Leser eine so stimmige Ausarbeitung der Charaktere, die sich im Laufe der Handlung weiter und oftmals unvorhergesehen entwickeln. Wie unter einem Brennglas werden Wünsche, Träume und Hoffnungen. aber auch psychische Belastungen und manches Trauma der Helden beleuchtet. Das ist untypisch für die sonst eher körperlich und geistig gestählte Heldenzunft und zeigt sie von ihrer verwundbaren Seite. Moderne Themen also, die im Rahmen einer phantastisch-mittelalterlichen Welt an Bedeutung gewinnen. Man lebt, liebt und leidet in jedem Moment mit jeder von Cor Nightingales Figuren und spürt dabei, dass es sich um Menschen handelt. Menschen, die gelebt haben könnten.

Die Krähen von Greengate laden dazu ein, Fantasy von einer neuen Seite kennenzulernen.  Apropos kennenlernen: Wer die Leipziger Buchmesse besucht, sollte ruhig einen Abstecher zum Stand des Selfpublisher Verbands unternehmen. Die Krähen von Greengate erwarten ihn dort live und in Farbe, zum Anfassen und Mitnehmen.

Ein Beitrag von Leonhard Lietz


Literaturhinweis:

Cor Nightingale: Die Crawford-Chroniken Band 1. Die Krähen von Greengate. Independently published 2023.


© Arbeitkreis für Vergleichende Mythologie e. V.

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