Austrō, Ēostra, Ostern?


Auch in diesem Jahr ist es wieder soweit: Der erste Sonntag nach dem Frühlingsvollmond steht in den Startlöchern. Und mit ihm Ostern, das höchste und wichtigste Fest der Christen, bei dem die Kreuzigung von Jesus betrauert und seine Auferstehung gefeiert wird. Mit Ostern endet auch die 40-tägige Fastenzeit, und wer der kirchlichen Osterliturgie eher weniger zugeneigt ist, für den gibt es Ostereier, Osterbrot, Osterlamm, Osterreiten, Osterkerzen oder den Osterhasen (in einigen Gegenden auch den Osterfuchs). In Norwegen dienten die bekannten Osterfeuer im Übrigen auch dazu, Trolle zu verjagen, und man durfte auch endlich die Kleidung wechseln (während der Fastenzeit war das nämlich verboten). Zudem entschied der Ostersonntag über das Wetter. Wenn es regnete, bedeutete dies auch für den Sommer nichts Gutes. Murmeltiertag auf Norwegisch. Nur eben an Ostern.

Doch was hat es mit dem Wort „Ostern“, das wir ganz selbstverständlich verwenden, eigentlich auf sich? Zu Ostern – Griechisch πάσχα (pasxa), Hebräisch pésach – wird nicht nur der Frühling oder das Ende des Winters gefeiert, sondern auch die Verbindung von Leiden und Hoffnung. Das Pessach-Fest, das wichtigste Fest im Judentum, erinnert an die Ereignisse aus dem 2. Buch Mose (Exodus) und den Auszug der Israeliten aus Ägypten. Es steht für die Hoffnung. Jesus wiederum starb laut dem Johannisevanglium zur Zeit des Pessach. Sein Tod steht für das Leiden. Wobei am Ende des Leidens die Wiederauferstehung wartet.

Etymologisch ist „Ostern“ allerdings nicht gar so eindeutig. Eine Wurzel könnte im altgermanischen Wort Austrō liegen, was so viel wie Morgenröte bedeutet; ähnlich Ēostre im Altenglischen. Bei Letzterem fällt die Ähnlichkeit zum Altgriechischen Ēṓs (Lateinisch Aurora) auf, ebenfalls die Morgenröte, personifiziert auch durch die Göttin der Morgenröte. Verweise zum Licht und dem Morgen lassen sich darüber hinaus bis ins Indogermanische zurückverfolgen (Vgl. Janda, S. 253 ff.).

Auch der angelsächische Mönch Beda Venerabilis (um 672-735) erwähnt in seiner Schrift „De tempore ratione“ (cp. 13) eine Licht- und Morgengöttin namens Ēostra, nach welcher angeblich der angelsächsische Monat April Ēosturmanoth benannt war. „Aus dieser Stelle, der einzigen, bei der eine Eostra belegt ist, aus der Bezeichnung ôstarmânoth für April bei Eginhart [Einhard] und aus dem Namen ôstarâ […] für das christliche Auferstehungsfest folgert [Jakob] Grimm eine der Eostra entsprechende deutsche Göttin [Ostara], eine Gottheit des strahlenden Morgens und des aufsteigenden Lichts.“ (Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens, Bd. 6, Sp. 1311) Allerdings scheiden sich an der Existenz dieser Lichtgöttin bis heute die Geister. Beda könnte sie einfach erfunden haben. „Als Beweis für die Existenz der [Ostara] führte man die zahlreichen mit Ostar- zusammengesetzten Orts- und Personennamen an, die aber nach anderer Interpretation lediglich Lage oder Herkunft in oder von Osten bezeichen.“ (Ebd. Sp. 1313) Einigkeit herrscht zumindest darüber, dass der April im Althochdeutschen tatsächlich ôstarmânoth hieß. Die Bezeichnung „Ostern“ setzte sich dann im angelsächischen und deutschen Raum gegenüber „Passah“ oder Pasca durch.

Die Verehrung von Ēostra scheint hingegen rein neuzeitlicher Natur zu sein und ist vor allem mit dem Frühling verbunden. So wurden ihr zu Ehren entweder Schweine geopfert oder Blumen abgelegt. Hase, Kalb und Marienkäfer zählen zu ihren heiligen Tieren. Ihr Liebesopfer sind allerdings Eier (oder Opferbrote > Osterfladen). Sie hat zudem Anteil an den Osterfeuern und ist eng mit den Schicksalsschwestern verbunden. „Dem Äußeren nach wird sie beschrieben als ein gleich der Eos sich leicht fortbewegendes, in ein goldschimmerendes Gewand gehülltes Wesen, vielleicht aus dem Meer aufsteigend, mit gelben Schuhen, jeden Morgen weckt sie alle lebenden Wesen aus dem Schlummer und naht sich den Häusern der Sterblichen mit schimmernden Schätzen“. (Ebd. Sp. 1314 f.) Ein sehr friedvolles Bild, bei dem man sogar darüber hinwegsehen kann, dass sich nicht einmal in der Edda Spuren von Ēostra (Ostara) finden lassen. Dafür ist allerdings von einem anderen Gott die Rede, den wir euch in unserem Podcast-Special vorstellen möchten.

Wir wünschen allen Leserinnen und Lesern sowie Hörerinnen und Hörern ein frohes Osterfest und natürlich einen fleißigen Osterhasen.

Das Team vom MYTHO-Blog


Literaturhinweise:

Hanns Bächthold-Stäubli, Eduard Hoffmann-Krayer (Hrsg.). Handwörtebuch des deutschen Aberglaubens. Bd. 6. Walter de Gruyter: Berlin/New York 1987.

Michael Janda: Die Musik nach dem Chaos. Der Schöpfungsmythos der europäischen Vorzeit, Innsbrucker Beiträge zur Kulturwissenschaft. N. F. Bd. 1, Verlag des Instituts für Sprachwissenschaft der Universität Innsbruck, 2010.


Blogbeitrag von Constance Timm

Podcast Autor und Sprecher: Sebastian Helm 

Musik von Sebastian Helm

Editing von Sebastian Helm

Podcast Textvorlage: Die Edda. Götterlieder und Spruchweisheiten der Germanen. Gylfaginning. Gylfis Verblendung. Hrsg. Manfred Stange (übersetzt von Karl Simrock). Marixverlag.


© Arbeitskreis für Vergleichende Mythologie e. V.

Eine Antwort auf „Austrō, Ēostra, Ostern?“

  1. Der Ostara-Mythos wurde am Anfang des 20. Jahrhunderts u. a. vom Rassisten Jörg Lanz „von Liebenfels“ (Adelsanmaßung) wiederbelebt und ging über ihn auch in der Werk des Schriftstellers und Zeichners Fritz von Herzmanovsky-Orlando (echter Adel!) ein.

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