In Oldenburg ist zurzeit eine wunderbare Ausstellung zu sehen, die einer fast vergessenen Künstlerin des Jugendstils gewidmet ist: Ilna Ewers-Wunderwald. Die virtuose Zeichnerin, Illustratorin, Übersetzerin, Kabarettistin und Gestalterin von Möbeln und avantgardistischer Frauenmode wurde um 1900 von der Kunstkritik gefeiert. Sie stellte erfolgreich in wichtigen Ausstellungen aus, wie der Berliner und Münchener Secession oder der Großen Berliner Kunstausstellung. Bereits in den 1920er Jahren zog sie sich aus der Öffentlichkeit zurück und ihr Werk geriet seitdem zunehmend in Vergessenheit. Nach mehr als 100 Jahren wurde diese Universalkünstlerin der Belle Époque nun wiederentdeckt. Mit der Sonderausstellung „Ilna Ewers-Wunderwald. Expedition Jugendstil“ präsentiert das Horst-Jannsen-Museum die umfänglichste Schau ihrer Arbeiten aus rund fünfzig Schaffensjahren.
Künstlerin, Lebensreformerin und Weltreisende
Die Ausstellung zeichnet das Bild einer starken, emanzipierten Frau im Kontext ihrer Zeit. Caroline Elisabeth Wunderwald wurde am 7. Mai 1875 in Düsseldorf als Tochter des Fahnenfabrikanten Alexander Wunderwald und seiner Frau Elisabeth geboren. Ihr älterer Bruder Wilhelm studierte Malerei an der Düsseldorfer Kunstakademie. Durch ihn eröffnete sich ihr die Welt der Zeichenkunst. Im Düsseldorfer Künstlerverein „Malkasten“ lernte sie 1895 ihren späteren Ehemann, den Schriftsteller Hanns Heinz Ewers, kennen. Die beiden verlobten sich Ende 1897 und heirateten im Mai 1901.
Ewers war am Berliner Kabarett „Überbrettl“ engagiert. Wunderwald stand mit selbst kreierten Reformkleidern auf der Bühne und erhielt glänzende Kritiken als Chansonette. Um diese Zeit nahm sie den Namen Ilna Ewers-Wunderwald an. Gemeinsam tourte das Paar nach der Hochzeit mit dem Kabarett durch Europa. Nachdem das „Überbrettl“ 1902 in Konkurs gehen musste, ließen sich beide für zwei Jahre auf Capri nieder, wo sie sich dem antibürgerlichen Sonnen- und Nudistenkult der Reformbewegung anschlossen. Zusammen unternahm das Ehepaar lange und ausgedehnte Reisen nach Südeuropa, in die Karibik, nach Mittel- und Südamerika, Australien, Fernost und Indien. Da sie kaum Geld hatten, schrieb Ewers Reiseberichte und sie zeichnete Menükarten für die Schifffahrtsgesellschaft. Insbesondere die Reise nach Indien war für Ilna Ewers-Wunderwald eine intensive Wahrnehmung des Landes und seiner Menschen.
Die Ehe mit dem berühmten, egozentrischen Schriftsteller war immer wieder von Spannungen geprägt. Nach der Indienreise 1910 verließ ihn die Künstlerin und brannte mit dem Düsseldorfer Komponisten Gustav Krumbiegel nach Leipzig durch, der jedoch wenig später im Krieg fiel. Die Ehe mit Ewers wurde 1912 geschieden. Ab 1917 lebte Ilna Ewers-Wunderwald mit der Bildhauerin Elli Unkelbach in Düsseldorf zusammen. Im Alter von 55 Jahren trat sie eine Weltreise zu Fuß an. 1940 zog sich die Künstlerin mit ihrer Lebensgefährtin an den Bodensee zurück, wo sie bis zu ihrem Tod am 29. Januar 1957 wohnte.
Märchenhafte Welten
Ilna Ewers-Wunderwald fühlte sich bis zu ihrem Lebensende dem Jugendstil verpflichtet. Sie war eine Meisterin im Umgang mit der Farbe. Ihre teilweise mit Aquarell, Gouache oder Pastell unterlegten Zeichnungen mit chinesischer Tusche stellen oft märchenhafte Tiere, fantastische Pflanzen oder skurrile Fabelwesen vor einem Hintergrund mit feingliedrigen Ornamenten dar. Ihre Unterwasserwelten beflügeln Fantasievorstellungen von verwunschenen Meerestiefen. Um 1910 entstand die beeindruckende Zeichnung eines „Wassermannes“, deren melancholische Stimmung den Betrachter berührt. Sie zeigt ein hummerrotes Amphibienwesen, welches auf einer Art Schildkrötenpanzer sitzt und versonnen in die Meerestiefe schaut.
Einen Schwerpunkt ihrer Arbeit bildete die Zeichen- und Buchkunst. Ilna Ewers-Wunderwald übersetzte und gestaltete Bücher der französischen Moderne und lieferte fantasievolle Illustrationen für verschiedene Zeitschriften. Dabei nutze sie meist florale Elemente, aber auch stilisierte Tiere als Motive. Die Werke ihres Gatten regten sie außerdem zu düsteren und morbiden Umschlagentwürfen und Illustrationen an.
Inspirationsquelle waren auch die zahlreichen Reisen in exotische Regionen der Welt, die sie zusammen mit ihrem Mann unternahm. Ilna Ewers-Wunderwald gehörte zu den ersten deutschen Künstlern, die Indien bereisten und indische Motive und Mythologie in ihren Bildern verwendeten. Zu den Kunstwerken, die von ihrer Indienreise inspiriert sind, gehört beispielsweise eine Zeichnung der Göttin Kali, die über und über mit feinen Ornamenten verziert ist. Die Künstlerin war von ihrem Motiv offenbar so beeindruckt, dass sie sich neben der Göttin kurzerhand selbst dargestellt hat – als indische Tempeldienerin.
Insgesamt sind rund 75 Werke in der Schau zu sehen – außer Tier- und Pflanzenbildern, Skizzen, Buchillustrationen und Menükarten auch eine Sitzbank, die Ilna Ewers-Wunderwald entworfen hat, und ein Kleid. Es wurde von der Schneidermeisterin Dorothea Schachtschneider eigens nach dem Entwurf der Künstlerin genäht. Ein Besuch der Ausstellung lohnt sich auf jeden Fall. Sie ist noch bis zum 29. August zu besichtigen.
Ein Beitrag von Dr. Claudia Roch
© Arbeitskreis für Vergleichende Mythologie e. V.
klingt spannend! Zumal in der Verbindung mit dem Literaten HH Ewers, Indien, Jugendstil. Und dann die Fußwanderung! So vieles, was man nicht weiß… Danke für den Artikel
Elmar Schenkel