Auch Verfluchte dürfen hoffen – Die Sage vom Fliegenden Holländer

Es muss eine scheußliche Überfahrt von Riga nach London gewesen sein, die Richard Wagner im Jahr 1839 auf dem Schoner „Thetis“ (benannt nach der griechischen Meernymphe) hinter sich gebracht hat. Nicht nur die überstürzte Flucht vor seinen Gläubigern, sondern auch die Gewalten von Meer und Sturm, die das Schiff beinahe in Seenot geraten ließen, machten aus der Reise ein gefährliches Abenteuer, welches den Komponisten schließlich zur Schöpfung seiner 1843 uraufgeführten „Romantische[n] Oper in drei Aufzügen“ mit dem Titel „Der fliegende Holländer“ beflügelte. Spätestens seit den Kinofilmen „Fluch der Karibik“ dürfte beinahe jeder schon einmal von der „Flying Dutchman“ (in dieser Version bezogen auf den Namen des Schiffes) und der untoten Crew um den charismatisch-skrupellosen Kapitän Davy Jones gehört haben, deren Fluch sich auch durch eine äußerliche Verwandlung in Fischwesen vollzieht. Wie das Schiff unter spannungsgeladenem Musik-Getöse die Wasseroberfläche durchbricht, um sich auf die Jagd nach den Lebenden zu machen, lässt den Cineasten wohlig schaudern.

Fast ebenso eindrucksvoll hat die Oper Leipzig Wagners Holländer in Szene gesetzt. Projizierte Bildtexte auf antik anmutenden Leinwänden, Walattrappen und ein „fast“ echtes Schiff, auf dem der Geisterchor sein Ständchen schmettert und das mit blutrot angestrahlten Segeln bis in den Zuschauerraum ausschwenkt (der Applaus des Publikums ist so spontan wie gerechtfertigt) machen den Besuch nicht nur musikalisch zu einem rundum gelungenen Erlebnis. Der Bühnenbildner Michiel Dijkema beschreibt es in einem für das Programmheft geführten Interview wie folgt: „Es ist eine Geschichte und eine Figur, die sofort unsere Fantasie anspricht, die etwas Geheimnisvolles und Unheimliches hat. […] Wenn man über historische Theatervorstellungen und historische Schiffe nachdenkt, fällt auf, dass die Seilzüge und Prospekte im Theater mit der Takelage und den eingebundenen Segeln auf Schiffen technische und optische Ähnlichkeiten aufweisen. Deswegen wollte ich die Naturgewalten mit den sichtbaren Mitteln der Theatertechnik erzählen […] Manchmal inspirierten mich aber auch bestimmte Formulierungen des Librettos. So sagt der Holländer zum Beispiel im ersten Aufzug: ‚Voll Überdruss wirft mich das Meer ans Land.‘ Er wird vom Ozean regelrecht ausgespuckt und an Land gespült.“ (Der Fliegende Holländer, Oper Leipzig, S. 7 ff.)

Der Holländer bleibt bei Wagner namenlos und das Leiden, das ihn treibt, ist hauptsächlich von Verzweiflung, Frust und Schicksalsergebenheit in sein Los geprägt. In den Filmen geht dies wiederum so weit, dass sich der verdammte Kapitän Jones das Herz eigenhändig aus der Brust schneidet und es abgeschottet von aller Welt in einer Truhe verwahrt, da er den Kummer nicht verwinden konnte, dass seine Geliebte (die Meeresnymphe Kalypso, hier stilisiert als Göttin) ihm nicht die Treue gehalten hat. Das nun scheinbar unerreichbare Liebessymbol steht in dieser Version allerdings für den Beginn des Fluches. Ursprünglich ist es die Aufgabe von Jones gewesen, die Seelen der auf dem Meer Verstorbenen ins Jenseits überzusetzen – ein wenig wie der Fährmann Charon in der griechischen Mythologie. Indem er mit der ihm auferlegten Pflicht bricht und diese ins Gegenteil verkehrt, handelt er wider das „göttliche“ Gebot und wird u. a. durch seine Verwandlung in ein Monster bestraft. In Wagners Oper indes bestimmt der Fluch von Beginn an die Geschichte, die – dankenswerterweise – ohne Selbstverstümmelungen oder Gemetzel auskommt. Allerdings spielt auch hier der Aspekt der Treue, der die einzelnen Szenen miteinander verwebt, eine wesentliche Rolle.

Wagners Holländer

Die Geschichte ist von ihrer Erzählkonstruktion her relativ simpel. Auf der Heimfahrt gerät das Schiff des norwegischen Kapitäns Daland in einen heftigen Sturm, woraufhin der Schiffsführer beschließt, das Unwetter in einer nahen Bucht gewissermaßen auszusitzen. Dort erfolgt die Begegnung mit einem zweiten, geisterhaft anmutenden Schiff. Es ist das des fliegenden Holländers, der nach sieben Jahren auf dem Meer erneut an Land gehen darf. Dies ist die Strafe für seinen Hochmut, deren Ursachen bereits viele Jahre zurückliegen. Bei der Umsegelung eines Kaps [gemeint wohl das Kap der Guten Hoffnung] verfluchte ihn der Teufel, sodass er als ewig Rastloser für immer die Meere durchkreuzen muss. Doch bekanntlich sind teuflische Verwünschungen nie ohne Hintertür. Diese steht freilich auch dem Holländer offen. Gelingt es ihm, in seiner kurzen Zwischenzeit an Land eine Frau zu finden, die ihn liebt und bis zum Tod die Treue hält, ist der Fluch gebrochen. Bisher hat der Holländer, was er gesanglich majestätisch und auch verzweifelt vorträgt (wunderbar interpretiert vom schottischen Bass-Bariton Iain Paterson), kein Glück mit seinen Liebsten gehabt. Die Treue, ja die Treue, daran ist es immer wieder gescheitert. Wäre da nur nicht immer noch dieses letzte Fünkchen Hoffnung, an das sich der Gemarterte klammert, er hätte seinem Leben – wenn er denn könnte – vermutlich längst ein Ende gesetzt. So aber fragt er den von den Schätzen des Geisterschiffs sichtlich übermannten Daland, ob dieser nicht eine Tochter habe. Woraufhin Daland ihm prompt die Hand dieser verspricht und dem Holländer versichert, sie sei ein besonders treues Geschöpf.

Die Praxis, dem eigenen Kind einen Bräutigam auszusuchen, mag für uns heute befremdlich erscheinen, galt jedoch jahrhundertelang als völlig legitim. Auch Senta, Dalands Tochter, hat mit der Ankündigung ihres Vaters, dass er ihr einen rechten Mann gefunden habe, keinerlei Akzeptanzprobleme. Einerseits mag darin kindlicher Gehorsam oder „Vatertreue“ liegen. Andererseits entpuppt sich der künftige Gemahl als Sentas Traummann im wahrsten Sinne des Wortes. Lange schon war sie in ein Gemälde verliebt, welches dem des fliegenden Holländers bis aufs Haar gleicht, sehr zum Frust ihres Freundes Erik, der mehr in Sentas Gesten hineininterpretiert als diese bedeuten, aber auch zum Spott der Nachbarinnen und Dorfbewohner. Tatsächlich wirkt Senta in ihrer Schwärmerei, die bereits zu Obsession neigt, naiv, stur, aber auch entschlossen, sich nicht vom Drang ihres Herzens abbringen zu lassen (ebenfalls wunderbar vertont durch die Sopranistin Christiane Libor). Und ja, da ist durchaus Verbundenheit zwischen Senta und dem Holländer; bei ihr äußert sich dies in Form von Schock und Glücksgefühlen ob der plötzlichen „Fleischwerdung“ ihres Traums, bei ihm ist es Liebe auf den ersten Blick. Die Musik fängt eben diesen Moment ein, wo die Stimmen schweigen und erst, als das gesungene Wort zurückkehrt, tun es auch die Zweifel. Da sind die Mahnungen vor den Konsequenzen der Liaison und Sentas unverbrüchlicher Treueschwur. Letzter wird vom verschmähten Erik auf die Probe gestellt, der nicht begreifen und akzeptieren kann, dass Senta einem Fremden dem Vorzug gibt und diesem auch noch in Liebe zugetan ist. Wie es für ein Drama kommen muss, belauscht der Holländer das Gespräch und da sind sie wieder, die Zweifel und die Lasten des Fluchs. Wie kann er sich Sentas Treue gewiss sein? Um sie nicht ins Verderben zu stürzen, verlässt er sie, obwohl er sie liebt. Was er nicht ahnt, ist, dass er damit Senta herausfordert, ihre Treue mit einem Todessprung zu beweisen. Bis es soweit ist, folgen indes noch Gelage, derbe Witze und der triumphale Auftritt des Geisterchors nebst dem bereits erwähnten monumentalen Opernschiff.

Treue vs. Liebe

Ich muss gestehen, ich habe die Oper sichtlich beeindruckt, aber auch nachdenklich verlassen. Ist es nun die Treue oder die Liebe oder der Tod oder alles auf einmal, das am Ende den Fluch des Holländers aufhebt? Sein weiteres Schicksal erahnen wir nur, erfahren es aber nicht wirklich. Sentas extremer Treuebeweis mag Kopfschütteln oder die Kritik hervorrufen, allzu pathetisch gehandelt zu haben. Bedenkt man die Entschlossenheit ihrer Liebe zu einem Bild, ist die Handlung auf verquere Weise allerdings folgerichtig, denn ein Ende in Tränen (oder eine Szene, wie sie weitere sieben Jahre sehnsuchtsvoll am Strand auf den Geliebten wartet wie in „Fluch der Karibik“) mag man ihr nicht abnehmen. In ihrer persönlichen Version der „Treue“ ist Senta sehr geradlinig, auch wenn die Anklagen „nicht beachteter Treue“ ihres Freundes Erik, der ob des männlichen Nebenbuhlers arg gekränkt ist, sie ins Wanken bringen und Senta am Ende keinen anderen Ausweg mehr lassen, als mit ihrem Tod Treue und Liebe zum Holländer zu besiegeln. Ob sie diesen mit Worten hätte von ihrer Aufrichtigkeit überzeugen können? Zumindest für die Oper wäre dieses Konzept schwer tauglich, denn was ist ein verbales Liebesduell mit Beschwörungen, Tränen und Ablehnungen gegenüber der dramatischen Handlung, die Fakten statt Worte schafft? Der Vater hat sich für Sentas Treue beim Holländer verbürgt. Auch das mag ein Motiv für den Abschluss gewesen sein. Wankende Treue zum Holländer bedeutet auch wankende Treue zum Vater. Dem Holländer mag man zurufen wollen, warte ab und sprich mit Senta, bevor du sie verlässt. Doch da eben dieses Verlassen ebenfalls aus Liebe geschieht, um die Geliebte von den Auswirkungen des Fluchs fernzuhalten, mutet das Verhalten eher tragisch als befremdlich an. Zudem ist der Holländer zu sehr von Enttäuschungen und Zweifeln gebrochen, als dass eine Nacht voll ersehnten Glücks all die Jahrzehnte oder vielleicht Jahrhundert der Einsamkeit und persönlichen Niederlagen auslöschen könnte. Die Verdammnis zur Rastlosigkeit und Irrfahrt – ein Motiv das schon in Homers „Odyssee“ beschrieben wird sowie in der christlichen Sage von Ahasver, dem ewig wandernden Juden – fordert am Ende ihren Tribut.

Vorlagen

Nicht nur Wagners Erfahrungen auf seiner Schiffsreise nach London waren für die Entstehung der Oper verantwortlich, mit der er sich erfolgreich aus der Tradition der Grand Opera löst und statt dem Schemata aufeinanderfolgender Arien, die Melodik und die dramatische Sprache in den Mittelpunkt des gesamten Werkes rückt. Bereits in den Jahren 1837/38 ist Wagner durch Heinrich Heines Schrift Aus den Memoiren des Herren von Schnabelewopski mit dem Holländer-Stoff in Berührung gekommen. Dort heißt es (wohlgemerkt nicht ohne eine gewisse Portion von Ironie in den Zwischentönen):

„Die Fabel von dem fliegenden Holländer ist Euch gewiß bekannt. Es ist die Geschichte von einem verwünschten Schiffe, das nie in den Hafen gelangen kann, und jetzt schon seit undenklicher Zeit auf dem Meer herumfährt. Begegnet es einem anderen Fahrzeuge, so kommen einige von der unheimlichen Mannschaft, in einem Boote, herangefahren, und bitten ein Paquet Briefe gefälligst mitzunehmen. Diese Briefe muß man an den Mastbaum festnageln, sonst widerfährt dem Schiffe ein Unglück, besonders wenn keine Bibel an Bord oder kein Hufeisen am Fokmast befindlich ist. […] Jenes hölzerne Gespenst, jenes grauenhafte Schiff, führt seinen Namen von seinem Capitän, einem Holländer, der einst bey allen Teufeln geschworen, daß er nirgend ein Vorgebirge, dessen Namen mir entfallen, trotz des heftigsten Sturms, der eben wehte, umschiffen wolle, und sollte er auch bis zum jüngsten Tag segeln müssen. Der Teufel hat ihm beim Wort gefaßt, er muß bis zum jüngsten Tag auf dem Meere herumirren, es sey denn, daß er durch die Treue eines Weibes erlöst werde. Der Teufel, dumm wie er ist, glaubt nicht an Weibertreue, und erlaubte daher dem verwünschten Capitän alle sieben Jahre einmahl ans Land zu steigen und zu heurathen, und bey dieser Gelegenheit seine Erlösung zu betreiben. Armer Holländer! Er ist oft froh genug von der Ehe selbst wieder erlöst und seine Erlöserinn los zu werden, und er begiebt sich dann wieder an Bord. […] Die Moral des Stückes ist für die Frauen, daß sie sich in Acht nehmen müssen, keinen fliegenden Holländer zu heurathen; und wir Männer ersehen aus diesem Stücke, wie wir durch die Weiber, im günstigten Falle, zu Grund gehn.“ (Heine, Kapitel VII, S. 37 ff.)

Der Sagenstoff, der sich um den fliegenden Holländer rankt, ist weit älter als Heines Schrift. Da die Gestalt des Geisterkapitäns mit der Umsegelung des Kaps der Guten Hoffnung in Zusammenhang gebracht wird, reichen die Legenden bis in die Zeit des portugiesischen Seefahrers Vasco da Gama (1469 – 1524) zurück, der als Entdecker des Seewegs um das Kap gilt. Ein reales, holländisches Vorbild für den verfluchten Kapitän wird im Ostindienfahrer Bernard Fokke vermutet. Die Erzählungen um ihn stammen aus dem 17. Jahrhundert. Er soll die Strecke von den Niederlanden bis nach Java so schnell zurückgelegt haben, dass seine Konkurrenten dahinter einen Pakt mit dem Teufel vermuteten. Als er von einer Reise nicht zurückkehrte, ging man davon aus, dass er fortan als Geist und Sklave des Teufels ewig die Meere durchsegeln müsse. Seinem Schiff zu begegnen, bedeutete Unheil oder Tod; eine Furcht, die für sämtliche Geisterschiffe galt.

Als Geisterschiffe bezeichnet man Schiffe, die auf See umhertreibend gefunden oder aber gesichtet werden und deren Besatzung tot oder verschwunden ist. In Zeiten als Krankheiten wie Pest oder Skorbut ganze Besatzungen auszulöschen vermochten, waren diese Phänomene keine Seltenheit. Auch Luftspiegelungen können Geisterschiffe zeigen. Um das Kap der Guten Hoffnung herum kommt dies besonders häufig vor, da hier, bedingt durch Meeresströmungen, kalte und warme Luftmassen aufeinandertreffen. Da das Thema zu weitführend und zu spannend ist, um es in ein paar Zeilen zu schildern, möchte ich diesem künftig noch einen ausführlicheren Artikel widmen.

Zum Abschluss sei noch auf eine Erzählung hingewiesen, welche in der Tradition des fliegenden Holländers steht, allerdings ohne jeglichen romantischen Grundtenor. Im Märchen-Almanach aus dem Jahr 1826 erschien Die Geschichte von dem Gespensterschiff aus der Feder des Schriftstellers Wilhelm Hauff (1802 – 1827). Diese transportiert den Stoff in den orientalischen Kulturkreis.

Auf einer Überfahrt gerät das Schiff, auf dem der jungen Achmet reist, in einem Sturm. Zudem erscheint ein Geisterschiff, ein Vorbote des Unglücks. Das Schiff mit den Reisenden übersteht den Sturm nicht. Achmet und seinem Diener gelingt es allerdings, sich am Tag darauf an Bord des Geisterschiffes zu stehlen. Allerdings besteht die Besatzung nur aus Leichen und der Kapitän ist mit einem Nagel an den Mastbaum genagelt. Dies verwirrt die Überlebenden, hatten sie doch beim Unglück in der Nacht die johlende Mannschaft des gespenstischen Fahrzeugs mit eigenen Augen gesehen. Mit Einbruch der Dunkelheit erwacht das Schiff jedoch seltsam zum Leben. Zumindest glauben das die Überlebenden, da sie ein lähmender Schlaf befällt. Mit Hilfe eines Sprüchleins gelingt es ihnen allerdings, in der nächsten Nacht zu erfahren, was tatsächlich auf dem Schiff vor sich geht:

„Kommt ihr herab aus der Luft,
Steigt ihr aus tiefem Meer,
Schlieft ihr in dunkler Gruft
Stammt ihr vom Feuer her:
Allah ist euer Herr und Meister
Ihm sind gehorsam alle Geister.“

Die Mannschaft ist in der Nacht quicklebendig und segelt über die Meere. Tagsüber ist sie tot und das Schiff scheint wieder an seinen Ausgangspunkt zurückgekehrt zu sein. Um dies erneut zu verhindern, umwickeln Achmet und sein Dienert Segel und Masten mit Sprüchen und Koranversen. Auf diese Weise erreichen sie nach vielen Tagen die Küste. Als sie die tote Mannschaft an Land bringen, um sie zu bestatten, zerfällt jedoch eine Leiche nach der anderen zu Staub. Nur noch der Kapitän ist am Ende übrig, erwacht mit Hilfe eines Zauberspruchs zum Leben und berichtet von seinem Schicksal. Er und seine Mannschaft seien Seeräuber gewesen und hätten einen Derwisch ermordet, der sie vor seinem Tod verflucht habe, niemals Ruhe zu finden, bis man ihre Häupter auf Land betet. Daraufhin brach eine Meuterei aus, in der die Mannschaft sich selbst umbrachte. Aber:

„In der nächsten Nacht, zur nämlichen Stunde, da wir den Derwisch in die See geworfen, erwachte ich und alle meine Genossen, das Leben war zurückgekehrt, aber wir konnten nichts tun und sprechen, als was wir in jener Nacht gesprochen und getan hatten. So segeln wir seit fünfzig Jahren, können nicht leben, nicht sterben; denn wie konnten wir das Land erreichen? Mit toller Freude segelten wir allemal mit vollen Segeln in den Sturm, weil wir hofften, endlich an einer Klippe zu zerschellen und das müde Haupt auf dem Grund des Meeres zur Ruhe zu legen. Es ist uns nicht gelungen. Jetzt aber werde ich sterben. Noch einmal meinen Dank, unbekannter Retter, wenn Schätze dich lohnen können, so nimm mein Schiff als Zeichen meiner Dankbarkeit.“ (Hauff, S. 28 f.)

Der Kapitän stirbt nach seinen Worten. Achmet beschenkt den getreuen Diener und kehrt als reicher Mann in seine Heimat zurück. Als ich die Geschichte im Alter von zehn Jahren zum ersten Mal las, fand ich sie reichlich gruselig. Und doch so faszinierend, dass ich sie danach noch mehrmals lesen musste, und jedes Mal war ich froh darüber, dass die verfluchte Mannschaft doch noch ihre Erlösung gefunden hat. Das zumindest hat sie am Ende mit dem fliegenden Holländer gemeinsam. Ob Treue, Liebe oder eine gute Tat, für Geisterschiffe oder rastlose Kapitäne gilt bei Erzählern, Filmemachern und Komponisten stets die Devise, ob nun berechtigt oder nicht: Auch Verfluchte dürfen hoffen.

Ein Beitrag von Dr. Constance Timm

Literaturhinweise:

Heinrich Heine: Aus den Memoiren des Herren von Schnabelewopski. Königstein 2016.

Hauffs Märchen: Mit den Illustrationen von Ruth Koser-Michaëls. München 2016.

© Arbeitskreis für Vergleichende Mythologie e. V.

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