Liebe Leserinnen und Leser des MYTHO-Blogs,
wieder einmal ist es soweit: Das Jahr geht zu Ende. Der Winter hält (dem Klimawandel zum Trotz) allmählich Einzug. Die Tannenbäume werden geschlagen und die aus dem post-modernen Brauchtum nicht mehr wegzudenkenden Weihnachtsmärkte mit Glühwein, Gedrängel, Fressbuden, Kräppelchen, Riesenrad und den hier und da doch noch auffindbaren Kunsthandwerksbuden öffnen den Weihnachtshungrigen die Pforten.
Advent, Advent … Da es uns leider nur symbolisch möglich ist, für alle unsere Mitglieder, Freunde, Interessierten, Mythenliebhaber, Kultursüchtigen, Abonnenten, Leseratten und Neugierigen ein Lichtlein auf dem Adventskranz anzuzünden, soll unser Weihnachtsspecial alle über den Feiertagsstress bis ins neue Jahr begleiten. Von bösen Nikoläusen wird zu lesen sein. Von fleißigen Weihnachtsmännern. Festtagsbräuchen. Weihnachtsgeistern. Wilden Jägern. Und verstorbenen Päpsten. Natürlich wie immer gespickt mit allerlei Mythischem, Kulturhistorischem und natürlich mit Literatur!
In diesem Sinne wünschen wir allen einen guten Start in die Adventszeit … Advent? Doch, ach Moment! Warum sind uns gerade diese vier Sonntage im Jahr eigentlich so wichtig?
Advent (lateinisch „adventus“ > Ankunft, „advent“ > er kommt) hängt eng mit der Geburt bzw. der Menschwerdung Christi zusammen, die am 25. Dezember (Christfest, Weihnacht) gefeiert wird. Die vier Lichter auf dem Adventskranz stehen daher nicht nur symbolisch für die vier Sonntage, sondern auch für das Licht, das Jesus Christus in die Welt gebracht hat. Mit dem Advent sollen die Gläubigen zugleich daran erinnert werden, dass das zweite Kommen Christi oder die Wiederkehr Christi noch bevorsteht und dadurch Weltende und Weltgericht eingeleitet und vollzogen werden. Mit dem Advent, dessen erster Sonntag immer nach dem 26. November beginnt, nimmt auch das Kirchenjahr der katholischen und evangelischen Kirche seinen Anfang. Es besteht aus dem Osterkreis (beginnend mit Aschermittwoch) und dem Weihnachtskreis, welche die Abfolge der kirchlichen Feiertage innerhalb des Jahres regeln.
Den Advent kennt man seit dem 6. Jahrhundert n. Chr. Damit ist die „Rüstezeit“ bis zum Weihnachtsfest, in der u. a. gefastet und Buße getan wurde, keine frühchristliche Entwicklung, sondern etablierte sich erst nach der Vereinbarung von Mailand (313), die der weströmische Kaiser Konstantin I. und sein oströmischer Gegenpart Licinius trafen und damit das Christentum faktisch zur Staatsreligion erklärten. Im Advent war es lange Zeit Sitte, weder Hochzeiten zu feiern noch öffentliche Feiern auszurichten. Mädchen und Frauen trugen Schwarz, wenn sie in die Kirche gingen. Noch heute ist es in manchen Gegenden Brauch, den Altar während der Adventszeit mit Schwarz zu verhüllen.
Zum Advent gehört – regional verschieden – das Adventsblasen (auch: Turmblasen) oder die Herbergssuche. Bei letzterer wird in Gottesdiensten bzw. auch in Familien ein Teil der im Lukasevangelium (Lk 2, 7) wiedergegebenen Weihnachtsgeschichte nachgestellt: Die vergebliche Suche von Maria und Josef nach einer Bleibe vor der Geburt Christi. Dazu werden Adventslieder gesungen. Auch die sogenannte „Wandergottesmutter“ (oder: Frauentragen) gehört zur Herbergssuche. Dabei wird eine geschnitzte Heilige Familie, eine Madonnenfigur oder ein Bild der Maria von der Kirche in eine „Gastfamilie“ getragen. Von dort aus wandert die Schnitzerei jeden Abend in eine andere Familie weiter. Dazu werden ebenfalls Lieder gesungen bzw. ein Gebet gehalten. In Österreich, der Schweiz und Teilen von Süddeutschland kennt man neben Umzügen und Bettelgängen seit dem 15. Jahrhundert auch die Anklopfnächte oder Klopfnächte. Diese beziehen sich auf die Nächte der letzten drei Donnerstage vor dem Heiligen Abend. Auch sie symbolisieren die Herbergssuche von Maria und Josef. Man bittet um Gaben oder Geschenke oder um die Einkehr bei den Klopfenden. Verbunden ist das Ganze mit Liedern, Bewirtung sowie Glück- und Segenswünschen für das kommende Jahr.
Der Advent ist aber nicht nur mit dem Warten auf das Christuskind verbunden, sondern trägt im Volksglauben auch düstere Züge. So sollen während der Adventszeit besonders viele Geister umgehen, u. a. die schwarzen Männer, das Holzfräulein, Irrlichter, Gespenstertiere und Kobolde, aber auch Gestalten, die mit den Rauhnächten und den sogenannten Zwölften in Verbindung stehen. Von ihnen wird im Verlauf unseres Specials noch die Rede sein.
Gegen Hexen, die ihren Sabbat abhalten, soll man den Stall ausräuchern. In Sulz am Neckar geht angeblich ein Reiter auf einem weißen Schimmel um, der seinen Kopf unter den Armen trägt. Vorsicht ist in den Donnerstagsnächten geboten. In der Adventszeit gelten diese als besonders verworfen und ungeheuerlich. Kindern, die im Advent geboren werden, sagt man nach, Geister sehen zu können. Die Bäume soll man schütteln, damit sie im nächsten Jahr viel Obst tragen. Darüber hinaus ist der Advent für das Auffinden von Schätzen und die Zukunft wichtig, denn angeblich sollen die Träume in den Nächten der Adventssonntage in Erfüllung gehen. Und allen, die auf weiße Weihnachten warten, sei gesagt: „Die Witterung der Adventsonntage ist das Vorzeichen der Witterung für den ganzen Winter.“ (Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens, Bd. 1, S. 202) Es darf also noch gehofft werden, denn der Advent hat ja gerade erst begonnen.
Zum Abschluss noch ein kleiner Exkurs. Wir alle kennen ihn, wir alle lieben ihn: den Schwibbogen. Zu tausenden und abertausenden schmückt er wieder die Fenster in den Straßen und geben dem Nachhauseweg, der für viele derzeit im Abenddämmern oder in Dunkelheit stattfindet, etwas Heimeliges. Ursprünglich stammt die Bezeichnung aus der Architektur und ist Teil eines Gebäudes oder eine Maueröffnung, die von einem Bogen geschlossen wird und in deren Raum Verstorbene bestattet wurden. Der Schwibbogen, der zur Adventszeit aufgestellt wird, hat seine Wurzeln im Erzgebirge. Der älteste Schwibbogen stammt aus Johanngeorgenstadt und datiert auf das Jahr 1740. Er war aus Metall. Erst im 20. Jahrhundert begann man damit, Schwibbögen aus Holz zu fertigen.
Da das Erzgebirge aufs engste mit dem Bergbau verbunden ist, weist auch der Schwibbögen derartige Bezüge auf. So soll er das Bedürfnis der Bergarbeiter nach Tageslicht widerspiegeln. Vor allem im Winter bekamen diese so gut wie kein Licht zu sehen, da ihre Schichten in aller Frühe bei Dunkelheit begannen und am Abend bei Dunkelheit endeten. Daher sagt man den Schwibbögen nach, ihre Form stelle das Mundloch eines Bergwerkstollens nach. Andere Meinungen sehen im Halbrund des Schwibbogens eher die Darstellung des Himmelsbogens. Die Motive auf den Schwibbögen variieren heutzutage stark. Es gibt die Darstellung von Krippenszenen, Schwibbögen mit Räuchermännchen und Nussknackern, Schwibbögen mit Kirchen, Dörfern, Tannenbäumen, Tieren oder ganzen Winterlandschaften. Das bekannteste traditionelle Schwibbogenmotiv zeigt zwei Bergleute, die ein Wappen mit den sächsischen Kurschwertern tragen. Rechts und links werden sie flankiert von einer Klöpplerin und einem Schnitzer. Diese Drei symbolisieren die Haupterwerbsquellen der erzgebirgischen Bevölkerung in der Frühen Neuzeit.
Egal welches Motiv Sie besitzen oder erwerben: der Schwibbogen gehört zum Advent wie der Tannenbaum zu Weihnachten. In diesem Sinne wünschen wir allen Lesern viel Licht, ein geisterfreies Haus und natürlich einen frohen ersten Advent!
Ein Beitrag von Dr. Constance Timm
Literaturhinweis:
Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens. Bd. 1. Hanns Bächthold-Stäubli, Eduard Hoffmann-Krayer (Hrsg.). Berlin 1987.
© Arbeitskreis für Vergleichende Mythologie e. V.