Es sind düstere Wesen, die während der kalten Winternacht von Haus zu Haus ziehen. Gebrüll und das laute Scheppern ihrer großen Glocken künden von ihrem Kommen und lassen dem Jüngsten der Familie einen Schreck in die Glieder fahren. Denn er weiß, dass dieser Lärm von den Buttnmandl kündet, den treuen Begleitern des hl. Nikolaus. Sie kommen, um jene zu strafen, die sich das Jahr über schlecht benommen, die Mutter und Vater nicht gehorcht und zu viel Schabernack getrieben haben. Er weiß aber auch, dass der Nikolaus sein Gefolge im Zaum halten wird, wenn er Besserung gelobt und sich daran hält. Und dass er ihm vielleicht sogar ein kleines Geschenk mitgebracht hat, wenn er brav gewesen ist.
Krampus, Perchten, Buttnmandl – das sind Begriffe für Wesen, die hauptsächlich im süddeutschen Raum den Menschen geläufig sind. In Bayern und der restlichen Alpenregion, in der Schweiz und Österreich, ist dieser Brauch bis heute nach wie vor weit verbreitet.
Die Ursprünge der Perchtenläufe verlieren sich im Dunkel der Historie. Ihre Wurzeln liegen, soweit kann man sicher sein, in heidnischen Fruchtbarkeitskulten aus vorchristlicher Zeit, die dazu dienten, die alten Götter zu ehren und das Böse von Haus und Hof fern zu halten. Diese vorweihnachtlichen Winterbräuche im November und Dezember hängen mit dem Schlachten des Geflügels, der Schweine und Rinder zusammen, die mit Feierlichkeiten verbunden sind (Hallinger, S. 10). Seit der Christianisierung nördlich der Alpen ist dieses Brauchtum stets von Kirche und Obrigkeit missbilligend beäugt, ja verfolgt worden. Doch Tradition und Glaube sind für den Menschen ebenso wichtig wie Nahrung und Schlaf. Und so blieb der Kirche schließlich wenig anderes übrig, als diese Kulte zu assimilieren und, wenn man sie nicht gänzlich verbieten konnte, doch wenigsten christlich umzuinterpretieren. Der Martinstag und der Nikolaustag sind daher Erben dieser Glaubenskonflikte (Hallinger, S.10). So hat sich dieses Kulturgut auf seine Weise bewahrt, und allen Verbotsversuchen der Obrigkeit zum Trotz halten die Menschen aus den Alpenregionen an diesem Brauch fest.
Wie bei den Perchtenläufen bilden die Buttnmandl das Gefolge des hl. Nikolaus und Christkindes, welche in der Winterzeit und besonders in den Rauhnächten von Haus zu Haus ziehen, um diese zu segnen und das Böse auszutreiben. Das Alleinstellungsmerkmal des Buttnmandllaufs in Berchtesgaden ist, dass es sich hierbei um einen eigenständigen Einkehrbrauch handelt, der sich damit von anderen Perchtenläufen abhebt. Denn normalerweise bleiben die Perchten vor dem Haus. In Berchtesgaden aber kommen Nikolaus und Buttnmandl in die Stube. Auch findet der Buttnmandllauf immer nur am Nikolauswochenende statt. Optisch unterscheiden sich die Buttnmandl von den Perchten. Anders als die in Fell gekleideten Perchten ist das Erkennungsmerkmal der Buttnmandl die dichte Strohlage, welche die jungen Männer am Körper tragen. Unklar ist bis heute, wo der Name Buttnmandl herkommt und was er genau bedeutet. Möglich ist eine Herleitung von den mittelhochdeutschen Begriffen bûden (schlagen, klopfen), butze (Schreckgestalt). bû ist u.a. auch der Acker, bûman der Ackerbauer. Butteln kann als rütteln, schütteln und hin- und herwerfen der Glocken gedeutet werden (Hallinger S.45f.)
Zwei Grundbedingungen müssen erfüllt sein, um am Berchtesgadener Buttnmandllauf teilnehmen zu dürfen. Nur wer das 16. Lebensjahr erreicht hat und Junggeselle ist, darf am Buttnmandllauf teilnehmen. Es hat sich eingebürgert, dass die jungen Burschen im Durchschnitt 10 Jahre lang, bis sie 26 werden, an den Läufen teilnehmen. Außerdem muss die betreffende Person gebürtig aus Berchtesgaden kommen, d.h. dort geboren sein. Frauen ist es grundsätzlich nicht gestattet, sich einer Bass (Laufgruppe) als Buttnmadl anzuschließen.
Die Maske – ein zweites Gesicht
Die hölzerne Maske oder Larve vervollständigt neben der Strohgewandung und den umgeschnallten Glocken die Buttnmandlgewandung. Das Wort Larve leitet sich von lateinisch lares her und ist die Bezeichnung für Geister oder Wiedergänger. Masken sind ein altes und weltweit verbreitetes Kulturgut und erfüllen verschiedenste Zwecke. Im rituellen Kontext, zur Tarnung oder einfach als Verkleidung eine Maske aufzusetzen, bedeutet sich in etwas oder jemand anderen zu verwandeln. Es erfolgt ein Identitätswechsel, der durch das Auf- oder Absetzen der Maske vollzogen wird.
Doch wie ist der Entstehungsprozess einer solchen Larve? Diese Frage stelle ich Herrn Richard Kranawetvogl, Maskenschnitzer aus Markschellenberg in Berchtesgaden. Im Folgenden soll der Entstehungprozess einer Maske aus seiner Werkstatt beschrieben werden. Grundsätzlich sei darauf hingewiesen, dass nahezu alle Masken aus seiner Werkstatt Auftragsarbeiten sind. Hat der Kunde seine Vorstellungen geäußert und damit Thema und Stil der Maske grob vorgegeben, geht es an die Arbeit. Je nach Stil und Form der Maske braucht es zwischen zwanzig und vierzig Stunden, um die gewünschte Maske herzustellen.
Richard Kranawetvogl bevorzugt für seine Arbeiten Zirbelholz, da es sich am besten bearbeiten lässt. Um den Rohling für eine Maske zu erstellen, wählt er bis zu vier verschiedene Holzstücke aus, welche zu einem quadratischen Rohling zusammengeleimt werden. Dieses Vorgehen erlaubt es ihm, den Wuchs des Holzes und die Astlöcher so zu setzen, dass diese sich gut ausschnitzen lassen und zum Gesamtbild der Maske passen. Im Anschluss erfolgt das grobe Zuschneiden mit der Kettensäge, um den Rohling in Kopfform bringen. Eine Skizze oder Vorzeichnung braucht Herr Kranawetvogl nicht. Mit den Wünschen des Kunden im Kopf lässt er seiner Kreativität und seiner künstlerischen Ader freien Lauf.
Nun greift der gelernte Schreiner zu seinen Werkzeugen, Eisen und Beitel und beginnt sein Werk. Mit dem Beitel arbeitet er vorsichtig die ersten Formen aus dem Holz. Die richtige Platzierung der Augen-, der Nasen- und der Mundpartie ist wichtig und lässt langsam auf die Schreckgestalt schließen, die hier entsteht. Stück für Stück arbeitet Herr Kranawetvogl mit immer feiner werdenden Werkzeugen die Konturen des Gesichts aus dem Holz. Ist das Gesicht fertig, erfolgt die Bemalung in einer passenden Farbe, welche abschließend mit Klarlack versiegelt wird.
Dann wird die Maske von innen mit feinem Rehleder ausgepolstert. Die Buttnmandl und Kramperl tragen ihre Larve schließlich bis spät in die Nacht. Schon so mancher hat sich Wangen und Stirn wund gerieben, wenn die Maske verrutschte. Schließlich wird der Maske das äußere Fell mit Leim angeklebt, um den freien Hinterkopf des Trägers zu verdecken.
Ebenso verhält es sich mit den Hörnern der Perchtenmasken. Denn im Unterschied zu den Buttnmandl tragen die Perchtenmasken große Hörner auf dem Kopf. Traditionell kommen hierfür Widder- oder Steinbockhörner in Frage. Auch hier liegt die Entscheidung beim Kunden. Soll es echtes Horn sein oder ist auch Kunsthorn akzeptabel? Optisch mag es nur geringe Unterschiede geben, allein das Selbstverständnis der Kunden und auch der Preis bestimmen dies (Echthorn ist um einiges teurer als Kunsthorn). Ein weiteres Element der Maske sind die Augen. Sie verleihen der Larve eine besondere Identität und sind ein Markenzeichen aus Richard Kranawetvogls Werkstatt. Denn für seine Larven verwendet er von eigener Hand bemalte Glasaugenrohlinge. So erhält jedes Werkstück noch einmal zusätzlich seinen ganz eigenen Stil und Charakter.
Schließlich ist der Moment gekommen, wo die Maske fertig ist. Entweder wird sie per Post dem Kunden zugesandt oder er kommt nach Markschellenberg, um sie sich persönlich abzuholen.
Nikolaustag – wenn aus jungen Burschen wilde Gesellen werden
Vorbereitung ist alles. Schon vor einigen Wochen haben einige der Laufteilnehmer die anstehende Laufroute abgesteckt. Sie sind dabei von Hof zu Hof gezogen, haben den Besitzer gefragt, ob er und die Familie in diesem Jahr am Nikolaustag anwesend sein werden (das Häuserfragen) und ob nichts gegen den Besuch der Bass spricht. Auch hat jeder schon zeitig seine Ruten – das sogenannte „Gatsch‘nprock`n“- geschnitten. In Wasser mehre Tage eingelegt, bleibt das Holz biegsam und lässt sich gut zusammenschnüren.
Ist das Nikolauswochenende endlich da, beginnt der Tag für alle Beteiligten früh. Diejenigen, welche sich im Laufe des Tages in die Buttnmadl verwandeln werden, treffen sich vormittags auf einem Gehöft, dass einer der Bauern gern zur Verfügung stellt. Neben den jungen Burschen, die an diesem Tag den Lauf auf sich nehmen werden, kommen immer auch mehrere Ältere. Sie sind meist früher selbst mitgelaufen und unterstützen nun die nächste Generation. Nach einem gemeinsamen Weißwurstfrühstück geht es endlich ans Werk. Denn nun folgt das sogenannte Einkleiden. Dieseskann durchaus bis zu einer Stunde pro Bursch in Anspruch nehmen und braucht die Hilfe von drei weiteren Männern mit viel Muskelkraft. Die jungen Männer werden zuerst mit gedroschenen Stroh umwickelt, bis sie schließlich zur Gänze davon umgeben sind. Am Rücken befestigen die Helfer dann mehrere Kuhglocken. Diese allein wiegen mehrere Kilo, sodass am Ende ein Gesamtgewicht von bis zu 30 Kilo auf den Schultern des Buttnmadl lastet.
Schließlich versammelt sich die Gruppe vor dem Hof. Die Größe einer Bass ist unterschiedlich. Sechs, zehn oder auch mehr Teilnehmer sind nicht unüblich. Nur dreizehn dürfen es nicht sein, denn diese Zahl ist ein schlechtes Omen. Auch ist es bei größeren Gruppen üblich, dass ein erfahrener Buttnmandl die Rolle des Ganggerl übernimmt. Er ist der Meister der Buttnmandl und achtet darauf, dass diese sich nicht zu wild benehmen. Auch ist er der Einzige, der vor dem hl. Nikolaus laufen darf.
Traditionell holen die Buttnmandl als erstes nach dem Einkleiden ihren Nikolaus und das Christkindl ab. Ist dies geschehen, ist die Bass vollständig. Bevor diese aberloszieht, beten alle Teilnehmer zusammen ein „Vater unser“ und ein „Gegrüßt seiest du Maria“ sowie ein kurzes Gebet für die Verstorbenen. Dann werden die einzelenen Buttmandl mit einem Daxersteirei (Tannenzweig) mit Weihwasser besprengt. (Hallinger, S. 24). Erst dann setzen die Männer ihre Larven auf und verwandeln sich endgültig in die düsteren Begleiter des Nikolaus. Mit dem Ruf des Ganggerl, „Buttnmandl, auf gehts!“ ist der Lauf eröffnet und umstehende Beobachter sollten nun aufpassen. Denn die Buttnmandl sind nicht zimperlich und verteilen an den unvorsichtigen Beisteher gern ein paar Hiebe mit ihrer Rute. Doch auch hier gelten Regeln. Es darf nur unterhalb der Knie „gestrichen“ werden und auch dies nicht zu fest, schließlich soll keiner ernsthaft verletzt werden.
Nun zieht die Bass mit dem Nikolaus an der Spitze los. Von Hof zu Hof gehen sie, immer dabei das laute Scheppern und Brüllen der Buttnmandl, um den Menschen in der Region Heil und Segen zu bringen.
Danksagung:
Es sei an dieser Stelle ausdrücklich dem Maskenschnitzer Richard Kranawetvogl aus Marktschellenberg, Berchtesgaden, für seine Unterstützung gedankt. Er nahm sich die Zeit, mit mir zu telefonieren und gab mir einen tieferen Einblick in die einzigartige Buttnmandltradition in Berchtesgaden.
Ein Beitrag von Leonhard Lietz
Literaturhinweis:
Martin Hallinger: Der Nikolaus und seine Buttnmadl. Berchtesgaden 2004.
© Arbeitskreis für Vergleichende Mythologie e. V.
Hallo,
hier wäre es auch mal interessant über andere Begleiter des Nikolaus zu berichten. Wie Knecht Ruprecht und den Erbsbär.
Grüße
Jörg Kutter